Erfurt. Kündigt ein Arbeitgeber seinem Mitarbeiter, muss er diesem trotz Freistellung Überstunden ausbezahlen. Diese erlöschen nicht automatisch durch die Freistellung des Arbeitnehmers. So entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) und gab damit einer Sekretärin recht, deren Arbeitgeber sich nach der Kündigung weigerte, Überstunden zu vergüten.
Lückenhafter Vergleich: Keine Regelung zu den Überstunden

Der Arbeitgeber kündigte seiner Sekretärin außerordentlich fristlos, wogegen diese vor dem Arbeitsgericht klagte. Die beiden Streitparteien einigten sich im Prozess auf folgenden Vergleich:
- Die außerordentliche Kündigung wurde in eine ordentliche, betriebsbedingte Kündigung umgewandelt.
- Bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses wurde die Klägerin unwiderruflich freigestellt.
- Der Urlaubsanspruch war in der Freistellung abgegolten.
Doch eine Frage wurde im Vergleich nicht beantwortet: Welche Auswirkung hat die Freistellung auf die Überstunden der Sekretärin?
Die Klägerin bestand trotz des Vergleichs auf eine Vergütung der Überstunden und zog deswegen erneut vor Gericht. Die dritte Instanz – das Bundesarbeitsgericht – entschied zu ihren Gunsten, dass die Überstunden nicht automatisch durch die Freistellung erlöschen:
Eine Freistellung in einem gerichtlichen Vergleich erfüllt den Anspruch des Arbeitnehmers auf Freizeitausgleich zum Abbau des Arbeitszeitkontos nur dann, wenn in dem Vergleich hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass mit der Freistellung auch ein Positivsaldo auf dem Arbeitszeitkonto ausgeglichen werden soll.
[Quelle: Pressemitteilung Nr. 40/19 des BAG zum Urteil vom 20.11.2019, Az.: 9 AZR 578/18]
Freistellung dient nicht ohne Weiteres dem Überstundenabbau

Demnach müsse der Arbeitgeber trotz Freistellung Überstunden des Arbeitnehmers in Geld abgelten, wenn das Arbeitsverhältnis endet und diese Stunden nicht mehr durch einen Freizeitausgleich abgebaut werden können.
Die Freistellung in einem gerichtlichen Vergleich ist laut BAG zum Freizeitausgleich nur geeignet, wenn für den Arbeitnehmer erkennbar ist, dass er auch zum Überstundenabbau freigestellt wird. Genau daran fehlte es aber im vorliegenden Fall, sodass die Freistellung die Überstunden nicht automatisch erlöschen lässt.
Nur wenn eine Freistellung dauerhaft erfolgt, kann der Arbeitnehmer planen. In diesem Fall weiß er sicher, dass er nicht mehr zur Arbeit erscheinen muss, und kann seine Zeit frei einteilen. Eine solche unwiderrufliche Freistellung kann laut Rechtsprechung noch bestehende Urlaubsansprüche erledigen (so z. B.: BAG, Urteil vom 20.8.2019, Az.: 9 AZR 468/18). Dieser Grundsatz der Urlaubsabgeltung durch Freistellung gilt nicht automatisch für die Abgeltung von Überstunden.