Berlin. Bei der Wahl zur Bundeskanzlerin passierte es wieder: Ein Abgeordneter postete ein Foto seines Stimmzettels in den sozialen Medien. Sehr zum Ärger von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble: Wahlen seien in Deutschland noch immer geheim, so der CDU-Politiker. Eine Verletzung des Wahlgeheimnisses sei strafbar, dieser Abgeordnete müsse eine Geldbuße zahlen. Bereits im letzten Jahr führten zahlreiche Stimmzettel-Fotos im Netz zu Strafanzeigen. Jetzt kam die zuständige Staatsanwaltschaft zu einer Einschätzung.
Streit um Wahlgeheimnis: eigener Stimmzettel in den sozialen Medien?
Schon im September 2017 posteten Nutzer ihre eigenen Stimmzettel auf den sozialen Plattformen. Der Bundeswahlleiter verurteilte diesen Trend und stellte im darauffolgenden Monat Strafanzeige in 42 Fällen.Dabei berief er sich auf die im Paragrafen 107c des Strafgesetzbuches beschriebene Verletzung des Wahlgeheimnisses:
Wer einer dem Schutz des Wahlgeheimnisses dienenden Vorschrift in der Absicht zuwiderhandelt, sich oder einem anderen Kenntnis davon zu verschaffen, wie jemand gewählt hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Zuständig für diese Sammelklage war die Staatsanwaltschaft Wiesbaden, die vor zwei Wochen ihre überraschende Einschätzung verkündete: Es liege keine Straftat vor. Niemand verletzte das Wahlgeheimnis. Ein eigener Stimmzettel dürfe sehr wohl veröffentlicht werden. Im Gegensatz zum Bundeswahlleiter und zum Bundestagspräsidenten ist die Staatsanwaltschaft der Meinung, dass in dem Gesetzestext nur von der Veröffentlichung fremder Wahlentscheidungen die Rede ist, der eigene Wahlzettel aber nach Belieben verbreitet werden darf.
Um das Wahlgeheimnis zu schützen: Was darf ich in der Wahlkabine?
Eigentlich wurde extra letztes Jahr vor der Bundestagswahl die Bundeswahlordnung um einen Zusatz erweitert, um solchen Diskussionen einen Riegel vorzuschieben. Der Paragraf 56 enthält nun ein explizites Film- und Fotoverbot: „In der Wahlkabine darf nicht fotografiert oder gefilmt werden.“ Bei Zuwiderhandlung könne die Stimme ungültig werden, unabhängig davon, ob der ausgefüllte Stimmzettel zu sehen ist oder nicht. Der Bundeswahlleiter äußerte sich zunächst nicht zur Entscheidung der Staatsanwaltschaft Wiesbaden.Theoretisch können Wahlberechtigte sogar in betrunkenem Zustand oder in Badekleidung zur Wahl erscheinen – allerdings ist Kleidung mit Parteiaufdruck untersagt. Sogar Tattoos dieser Art müssen bei dem Gang zur Wahlkabine verborgen werden.
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