Victim Blaming: Die Täter-Opfer-Umkehr verstehen

Was bezeichnet die Täter-Opfer-Umkehr in der Psychologie?
Was bezeichnet die Täter-Opfer-Umkehr in der Psychologie?

FAQ: Victim Blaming

Was versteht man unter Victim Blaming?

Victim Blaming bezeichnet die Denkweise, bei der das Opfer eines Verbrechens oder traumatischen Ereignisses für das Geschehene verantwortlich gemacht wird, indem ihm Fehler im Verhalten zugeschrieben werden, anstatt dem Täter die Verantwortung zu geben. An dieser Stelle finden Sie für die Täter-Opfer-Umkehr Beispiele.

Ist Victim Blaming strafbar?

Victim Blaming ist in Deutschland laut Strafrecht nicht direkt strafbar, kann aber rechtliche Konsequenzen haben, wenn die Äußerungen den Tatbestand der Beleidigung, üblen Nachrede oder Verleumdung erfüllen. 

Wie gehe ich am besten mit der Täter-Opfer-Umkehr um?

Als Betroffener sollten Sie deutlich machen, dass die Schuld nicht bei Ihnen liegt und professionelle Hilfe bei Psychologen oder Opferberatungsstellen suchen. Wie Sie als Angehöriger reagieren können, finden Sie hier.

Definition: Was ist Victim Blaming?

Ein häufiges Feld, in dem die Täter-Opfer-Umkehr auftritt, ist häusliche Gewalt.
Ein häufiges Feld, in dem die Täter-Opfer-Umkehr auftritt, ist häusliche Gewalt.

Victim Blaming – auch Täter-Opfer-Umkehr – bezeichnet laut Definition eine Denkweise, bei der das Opfer eines Verbrechens oder eines traumatischen Ereignisses für das, was ihm zugestoßen ist, verantwortlich gemacht wird. Anstatt die Verantwortung dem Täter zuzuweisen, wird dem Opfer unterstellt, dass es durch sein Verhalten, seine Entscheidungen oder seine Eigenschaften selbst Schuld an der Situation trägt. Diese Haltung kann in verschiedenen Kontexten auftreten, wie etwa bei sexuellen Übergriffen, häuslicher Gewalt, Mobbing oder auch bei weniger offensichtlichen Formen von Missbrauch.

In der Regel basiert die Täter-Opfer-Umkehr auf folgenden psychologischen Mechanismen:

  • Selbstgerechtigkeit: Täter rechtfertigen ihre Handlungen durch äußere Umstände oder moralische Argumente und projizieren ihre Schuld auf andere.
  • Opferidentifikation: Täter berufen sich auf eigene traumatische Erfahrungen, um Mitgefühl zu erzeugen und ihre Handlungen zu rechtfertigen.
  • Schuldumkehr: Täter beschuldigen die Opfer für die eigenen Taten und vermeiden so Selbstreflexion und Verantwortung.

Victim Blaming und Gaslighting sind zwei unterschiedliche Formen psychologischer Manipulation. Während Victim Blaming darauf abzielt, dem Opfer die Schuld für einen Übergriff oder ein Vergehen zuzuschreiben, zielt Gaslighting darauf ab, das Opfer an seiner eigenen Wahrnehmung und Realität zweifeln zu lassen.

Victim Blaming erkennen – Beispiele

Victim Blaming dient beim Narzissmus dazu, die eigene Verantwortung abzuwehren.
Victim Blaming dient beim Narzissmus dazu, die eigene Verantwortung abzuwehren.

Victim Blaming ist ein weit verbreitetes Phänomen, das in vielen Bereichen des Lebens auftreten kann.  Dieses Verhalten kann sowohl subtil als auch offensichtlich sein und hat stets schädliche Auswirkungen auf die betroffenen Personen.

Besonders häufig sind Frauen davon betroffen, etwa wenn ihre Kleidung, ihr Verhalten oder ihr Auftreten fälschlicherweise als Rechtfertigung oder Auslöser für sexuelle Übergriffe herangezogen werden. Diese Form der Täter-Opfer-Umkehr ist jedoch nicht ausschließlich geschlechtsspezifisch – sie kann Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht treffen und findet in unterschiedlichen Kontexten statt.

Doch welche Beispiele gibt es für Victim Blaming? Die folgende Tabelle zeigt Ihnen typische Sätze, die im Kontext der Täter-Opfer-Umkehr häufig fallen.

BeispielBeispielsatzErklärung
Sexuelle Gewalt„Warum hast du dich so aufreizend angezogen?“Die Schuld wird dem Opfer anstatt dem Täter bei dieser Form des Victim Blaming zugeschoben. Kleidung oder Verhalten rechtfertigen keine Gewalt.
Mobbing„Hättest du dich mal besser angepasst, dann würde man dich nicht ärgern.“Die Verantwortung wird auf das Opfer abgewälzt, anstatt die Täter zur Rechenschaft zu ziehen.
Beziehungsgewalt„Warum hast du ihn/sie nicht einfach verlassen?“Die Komplexität toxischer Beziehungen wird ignoriert; das Opfer wird für das eigene Leid verantwortlich gemacht.
Diebstahl„Du hättest deine Tasche eben nicht unbeaufsichtigt lassen sollen.“Die Verantwortung für Diskriminierung wird dem Betroffenen zugeschoben, statt rassistische Strukturen zu hinterfragen.
Rassistische Diskriminierung„Du solltest dich halt besser integrieren.“Die Verantwortung für Diskriminierung wird dem Betroffenen zugeschoben, statt rassistische Strukturen zu hinterfragen.
Cybermobbing„Dann geh doch einfach offline.“Ignoriert, dass Täter für ihre Handlungen verantwortlich sind, und suggeriert, das Opfer müsse sich einschränken.

Die DARVO-Methode beschreibt eine Manipulationstechnik, bei der Täter ihre Schuld leugnen (Deny), angreifen (Attack) und die Rollen von Täter und Opfer umkehren (Reverse Victim and Offender). Diese Form der Täter-Opfer-Umkehr spielt im Narzissmus eine große Rolle. Narzissten verwenden diese Methode, um Kritik abzuwenden und das Umfeld auf ihre Seite zu ziehen, sodass das eigentliche Opfer an sich selbst zweifelt. 

Narzissten zeichnen sich häufig durch ein übertriebenes Selbstbild, Mangel an Empathie und die Neigung aus, andere zu manipulieren, um ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.  Sie sind besonders geschickt darin, z. B. die Täter-Opfer-Umkehr in einer Beziehung als Manipulationstechnik einzusetzen. Sie nutzen diese Strategie, um Macht und Kontrolle über ihre Partner oder nahestehende Personen zu gewinnen.

Narzissten manipulieren ihre Umgebung, indem sie:

  • Schuldgefühle einflößen
  • sich aus der Verantwortung stehlen
  • den Partner als alleinigen Schuldigen darstellen
  • den Partner verunsichern und dessen Selbstwertgefühl destabilisieren
  • Drohungen, Einschüchterungen und Erniedrigungen als Werkzeuge einsetzen.

Welche Folgen hat Victim Blaming?

Victim Blaming kann viele Folgen haben, z. B. Trauma und Schuldgefühle.
Victim Blaming kann viele Folgen haben, z. B. Trauma und Schuldgefühle.

Bei Victim Blaming können die Folgen sowohl auf psychischer als auch auf sozialer Ebene erheblich sein.

Opfer von Victim Blaming erleben oft eine Vielzahl von negativen Gefühlen und psychischen Belastungen. Zu den häufigsten Folgen gehören:

  • Trauma und posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS): Es kommt bei der Täter-Opfer-Umkehr zusätzlich zum Trauma, das die Opfer ursprünglich erleben, die Belastung durch Schuldzuweisung und Stigmatisierung. Diese doppelte Belastung kann zu PTBS führen, mit Symptomen wie Flashbacks und Albträumen.
  • Verlust des Selbstwertgefühls: Wenn einem Opfer ständig die Schuld für sein eigenes Leid zugeschrieben wird, kann es beginnen, an seinem eigenen Wert zu zweifeln. Die ständige Bestätigung, dass es selbst schuld ist, kann das Vertrauen in die eigenen Wahrnehmungen und Entscheidungen zerstören.
  • Isolation und Einsamkeit: Opfer von Victim Blaming werden oft von ihrer sozialen Umgebung isoliert. Sie werden möglicherweise von anderen nicht ernst genommen oder sogar selbst für das Ereignis verantwortlich gemacht. Das führt dazu, dass sich die Opfer von ihren Freunden, Familienmitgliedern und anderen Bezugspersonen distanzieren, was ihre Einsamkeit und Isolation verstärken kann.
  • Schuldgefühle und Scham: Opfer entwickeln häufig ein tiefes Gefühl der Scham und Schuld, das von außen auf sie übertragen wurde. Dies kann dazu führen, dass sie sich nicht trauen, Hilfe zu suchen, aus Angst, erneut beschuldigt oder nicht ernst genommen zu werden.

Ist Victim Blaming eine Straftat?

Victim Blaming ist nicht strafbar - Konsequenzen können dennoch drohen.
Victim Blaming ist nicht strafbar – Konsequenzen können dennoch drohen.

Victim Blaming ist in Deutschland tatsächlich nicht unmittelbar strafbar, kann aber unter bestimmten Umständen rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Insbesondere wenn die Äußerungen den Tatbestand der Beleidigung, üblen Nachrede oder Verleumdung erfüllen, können sie strafrechtlich relevant sein.

Wenn Victim Blaming in Form von diffamierenden Äußerungen über das Opfer erfolgt, kann dies als Beleidigung gewertet werden. Das Strafgesetzbuch sieht für Beleidigung eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr vor.

Werden im Rahmen des Victim Blaming nicht beweisbare, ehrverletzende Tatsachen über das Opfer behauptet oder verbreitet, kann dies den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen. Hierfür sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe vor.

Besonders schwerwiegend kann Victim Blaming sein, wenn dabei wissentlich falsche Tatsachen über das Opfer verbreitet werden, um es herabzuwürdigen. Dies kann als Verleumdung gewertet werden und entsprechend höhere Strafen nach sich ziehen.

Was können Sie tun bei Verdacht auf Victim Blaming?

Victim Blaming: Was können Sie tun?
Victim Blaming: Was können Sie tun?

Die Erkennung und Bekämpfung von Victim Blaming ist ein wichtiger Schritt zur Unterstützung von Opfern. Es erfordert Aufmerksamkeit, Mitgefühl und oft auch Mut, gegen solche Tendenzen vorzugehen.

Egal ob Sie selbst betroffen sind, jemanden unterstützen möchten oder allgemein gegen diese Praxis vorgehen wollen – es gibt konkrete Schritte, die Sie unternehmen können.

Victim Blaming: Was können Betroffene tun?

  • Machen Sie deutlich, dass die Schuld nicht bei Ihnen liegt und Victim Blaming inakzeptabel ist. Lassen Sie sich nicht in eine Täterrolle drängen.
  • Sie können zudem Hilfe bei Fachpersonen wie Psychologen oder Opferberatungsstellen suchen, um Traumatisierungen zu vermeiden.
  • Wenn Victim Blaming strafrechtlich relevante Grenzen wie Beleidigung oder Verleumdung überschreitet, können Sie Anzeige bei der Polizei erstatten.

Sie fragen sich als Angehöriger, wie Sie als Zeuge der Täter-Opfer-Umkehr handeln sollten? Was Sie tun können, ist der geschädigten Person zuzuhören, ohne die Tat zu bewerten oder Schuldzuweisungen vorzunehmen. Begleiten Sie das Opfer zur Polizei oder unterstützen Sie es im Alltag, ohne Entscheidungen über dessen Kopf hinweg zu treffen.

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Über den Autor

Dr. Philipp Hammerich (Rechtsanwalt)
Dr. Philipp Hammerich

Dr. Philipp Hammerich ist seit 2007 als Rechtsanwalt zugelassen. Er studierte an der Universtät Hamburg und absolvierte sein Referendariat am OLG Hamburg. Er promovierte beim damaligen Richter am BVerfG, Prof. Dr. Hoffmann-Riem. Er befasst sich als Autor für anwalt.org unter anderem mit Zivil-, Straf- und Erbrecht.

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