Urteil: Kläger bekommt Pflichtteil als Enkel trotz Enterbung des Vaters

Veröffentlichungsdatum: 5. Februar 2018

Letzte Aktualisierung am: 8. Februar 2018

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Hamm. Ein 21-Jähriger klagte auf seinen Pflichtteil als Enkel des Erblassers. Doch der hatte seinen Sohn und Vater des Klägers aus dem Testament gestrichen und den Pflichtteil entzogen. Das Oberlandesgericht entschied nun darüber, ob dem Enkel trotzdem ein Pflichtteil zusteht.

Pflichtteil als Enkel – 927.000 Euro an Vermögenswerten

Das OLG Hamm bestätigte ein Urteil des Landesgerichts Hagen: Kläger steht Pflichtteil als Enkel zu

Das OLG Hamm bestätigte ein Urteil des Landesgerichts Hagen: Kläger steht Pflichtteil als Enkel zu

Am 05. Februar 2018 veröffentlichte das Oberlandesgericht Hamm ein Urteil, in dem es entschied, dass einem Kläger der Pflichtteil als Enkel zusteht, obwohl der Vater testamentarisch enterbt wurde. Das OLG bestätigte damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichtes Hagen.

In dem verhandelten Fall ging es um rund 1,854 Millionen Euro an Vermögenswerten. Bereits 1989 hatte der Erblasser seine beiden Söhne aus dem Testament gestrichen. Grund dafür waren unter anderem die Rauschgiftsucht der Söhne und die gegen den Großvater verübte Körperverletzung.

Wann können die eigenen Kinder enterbt werden?

Grundsätzlich ist es in Deutschland sehr schwierig, die eigenen Kinder komplett vom Erbe auszuschließen. Wird das Kind per Testament enterbt, ist die gesetzliche Erbfolge aufgehoben. Doch ein Pflichtteil steht dem Sohn in den meisten Fällen trotzdem zu. Der Pflichtteil beträgt immer die Hälfte des gesetzlichen Erbes und muss dabei in Geld ausgezahlt werden.

Nur in seltenen Fällen kann den Kindern auch der Pflichtteil entzogen werden. Etwa, wenn sich die Kinder eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegenüber dem Erblasser schuldig gemacht haben. Wenn die Kinder sich anderweitig strafbar gemacht haben, ist ein Ausschluss vom Pflichtteil ebenfalls möglich. Der Erblasser muss dann jedoch detailliert schildern, inwiefern es für ihn unzumutbar ist, dass das Kind etwas von seinem Erbe bekommt.

Großvater hatte nur die Söhne enterbt

Der einzige Enkel des Verstorbenen machte seinen Pflichtteilsanspruch  von 927.000 Euro geltend. Die beiden direkten Nachfahren des Erblassers hatten keinen Anspruch auf den Pflichtteil. Der erste Sohn war bereits 1990 kinderlos verstorben, der zweite Sohn und Vater des Klägers, hat sein Recht auf einen Pflichtteil durch die Körperverletzung gegenüber dem Erblasser verwirkt. Doch das betrifft den Enkel nicht.  Das Gericht bestätigte das Anliegen des Klägers. Er sei im Gegensatz zu seinem Vater nicht enterbt. Im Testament hat der Erblasser angeordnet, seinen beiden Söhnen den Pflichtteil zu entziehen, nicht aber deren Nachkommen. Dem Kläger steht somit der Pflichtteil als Enkel des Verstorbenen zu.

Wenn ein Sohn sein Pflichtteilsrecht verwirkt, gilt das nicht auch für den Enkel

Wenn ein Sohn sein Pflichtteilsrecht verwirkt, gilt das nicht auch für den Enkel

Nach dem Ableben des Erblasser 2011 teilten die von ihm testamentarisch eingesetzten Erben, die Lebensgefährtin und der Bruder, das Vermögen unter sich auf. Das Gericht verurteilte sie nun, dem Kläger die 927.000 Euro zu bezahlen.

Der Bruder ist gegen dieses Urteil erfolglos in Berufung gegangen. Er hatte unter anderem darauf verwiesen, dass das Erbe nur noch zum Teil vorhanden sei. Das Urteil ist rechtskräftig.

Anspruch auf Pflichtteil kann zu großer Last für die Erben werden

Wer die eigenen Kinder im Testament enterbt und andere Erben einsetzt, sollte auch die Folgen bedenken. Da die Kinder oder andere nahe Verwandte den Anspruch auf den Pflichtteil fast immer haben und dieser in Geld ausgezahlt werden muss, kann das zum Problem für die eingesetzten Erben werden. Beispiel: wird eine Immobilie im Wert von 500.000 Euro vererbt, muss der Erbe diese eventuell veräußern, um den Pflichtteilsberechtigten die zustehenden 250.000 Euro auch zahlen zu können.

Bildnachweise: istock.com/Kuzma, despositphotos.com/oksana6170

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Über den Autor

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Jennifer A.

Jennifer studierte Rechtswissenschaften an der Universität Bayreuth. Seit 2018 ist sie fester Bestandteil des Redaktionsteams von anwalt.org. Sie nutzt ihr breites Wissen über das deutsche Rechtssystem seither für die Erstellung gut verständlicher Texte in Bereichen wie dem Asylrecht, Steuerrecht und Verbraucherrecht.

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