Üblicherweise findet vor einer strafrechtlichen Verurteilung eines Täters in Deutschland eine Hauptverhandlung vor einem Richter statt. Im Zuge dessen wird der Fall mündlich erörtert, es werden Beweise erhoben und der Angeklagte zur Sache angehört. So sehen es die Regelungen der Strafprozessordnung (kurz: StPO) vor.
In einigen Fällen wird jedoch auf eine mündliche Verhandlung vor Gericht verzichtet und stattdessen ein sogenanntes Strafbefehlsverfahren durchgeführt. Was hierunter genau zu verstehen ist, in welchen Fällen es zum Tragen kommt, wie es abläuft und wo Regelungen zum Strafbefehl in der StPO zu finden sind, erfahren Sie im folgenden Ratgeber.
Inhalt
FAQ: Strafbefehlsverfahren
Hier können Sie nachlesen, was ein Strafbefehl ist und wann dieser erlassen wird.
Hier können Sie nachlesen, wie ein Strafbefehlsverfahren in Deutschland üblicherweise abläuft.
Sie können innerhalb von zwei Wochen einen Einspruch gegen den Strafbefehl einlegen.
Was ist ein Strafbefehl?
Bei einem Strafbefehlsverfahren handelt es sich um ein vereinfachtes Verfahren zur Bewältigung leichter Kriminalität, bei dem ein schriftlicher Strafbefehl erlassen wird.
Das Besondere am Strafbefehlsverfahren liegt, wie eingangs bereits erwähnt, darin, dass es zu einer rechtskräftigen Verurteilung kommt, ohne dass eine mündliche Hauptverhandlung stattgefunden hat.
Das Strafbefehlsverfahren findet nach Strafanzeigen in einfach gelagerten Sachverhalten Anwendung.Der Erlass eines Strafbefehls hat den entscheidenden Vorteil, die Gerichte zu entlasten. Das Strafbefehlsverfahren ist außerdem kostensparend, geht zügig vonstatten und wird ohne großes Aufsehen erledigt. Dies wiederum kann durchaus auch im Interesse des Beschuldigten liegen.
Anders als bei einer mündlichen Verhandlung reicht es bei einem Strafbefehlsverfahren aus, wenn ein sogenannter hinreichender Tatverdacht gegen den Beschuldigten vorliegt.
Hinreichender Tatverdacht ist eine Verdachtsstufe im Strafrecht, die unter anderem auch Voraussetzung für eine Anklage bei Gericht ist. Bei dieser ist nach der vorläufigen Beurteilung der Beweislage eine spätere Verurteilung als wahrscheinlich gegeben.
Weitere Verdachtsstufen sind im Übrigen der sogenannte Anfangsverdacht, der dringende Tatverdacht sowie die richterliche Überzeugung. Der Anfangsverdacht ist dem hinreichenden Tatverdacht untergeordnet und ihm gegenüber schwächer. Dringender Tatverdacht und richterliche Überzeugung sind demgegenüber stärkere Verdachtsgrade.
Im Zuge eines normalen Strafverfahrens mit mündlicher Hauptverhandlung muss die Schuld des Angeklagten im Gegensatz zum Strafbefehlsverfahren zur richterlichen Überzeugung feststehen. Nur dann findet eine Verurteilung statt. Insoweit besteht ein Unterschied zum Strafbefehlsverfahren.
Wann findet das Strafbefehlsverfahren Anwendung?
Bei einem Strafbefehlsverfahren können, im Gegensatz zu einem normalen Strafverfahren mit Hauptverhandlung, nur sogenannte Vergehen geahndet werden.
Der Begriff des Vergehens ist streng von dem des Verbrechens abzugrenzen. Bei einem Verbrechen beträgt der Strafrahmen eines Tatbestandes mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe. Liegt das Mindestmaß einer zu verhängenden Strafe bei einem Tatbestand unterhalb dessen, ist von einem Vergehen die Rede.
Bei den Rechtsfolgen eines Strafbefehlsverfahrens gibt es weitere Einschränkungen. Eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr kann nur dann festgesetzt werden, wenn der Angeschuldigte einen Strafverteidiger hat und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird.
In Betracht kommen ansonsten unter anderem die folgenden Rechtsfolgen:
- Geldstrafe nach § 40 StGB
- Verwarnung mit Strafvorbehalt nach § 59 StGB
- Fahrverbot nach § 44 StGB
- Verfall nach § 73 StGB
- Einziehung § 74 StGB
- Unbrauchbarmachung von Schriften nach § 74d StGB
- Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB (sofern die Sperrfrist zur Wiedererteilung nicht mehr als zwei Jahre beträgt)
- Absehen von Strafe nach § 60 StGB
Kommt es zur Verhängung einer Geldstrafe, ist auch beim Strafbefehl eine Ratenzahlung im Sinne des § 42 StGB möglich.
In der Norm ist die Gewährung von Zahlungserleichterungen geregelt. Wem es nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zumutbar ist, die Geldstrafe sofort zu zahlen, dem wird von Seiten des Gerichtes gestattet, die Strafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen.
Zählt der Strafbefehl als Vorstrafe?
Die Frage, ob ein Angeschuldigter nach einem Strafbefehl als vorbestraft gilt, ist eine der wohl am häufigsten gestellten.
Als vorbestraft gilt eine Person zum einen, wenn gegen sie eine Strafe in einem Strafprozess ausgesprochen wurde und zum anderen, wenn gegen sie ein Strafbefehl ergangen ist. Diese werden im Bundeszentralregister (kurz: BZR) eingetragen. Das BZR ist ein öffentliches Register, welches beim Bundesamt für Justiz in Bonn geführt wird.
Wie läuft ein Strafbefehlsverfahren ab?
Das Strafbefehlsverfahren folgt einem bestimmten Ablauf. Zu Beginn des Verfahrens stellt die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehlsantrag. Zuständig für den Erlass eines Strafbefehls ist der Strafrichter beim jeweils örtlich zuständigen Amtsgericht.
Sodann hat der zuständige Strafrichter verschiedene Möglichkeiten, auf den Strafbefehlsantrag zu reagieren.
- Sofern dem keine Bedenken entgegenstehen, hat der Richter den Strafbefehl zu erlassen. Wenn der Angeschuldigte keinen Verteidiger hat, muss der Richter ihm zunächst einen Pflichtverteidiger bestellen. Dies ergibt sich aus § 408b StPO.
- Der Richter kann den Erlass des Strafbefehls auch ablehnen, sofern er den Angeschuldigten als nicht hinreichend tatverdächtig erachtet. Die Ablehnung des Strafbefehls ergeht im Strafbefehlsverfahren in Form des Beschlusses. Gegen diesen Beschluss kann die Staatsanwaltschaft wiederum eine sofortige Beschwerde einlegen. Geregelt ist dies in § 210 Absatz 2 StPO.
- Der Richter kann schließlich auch im Strafbefehlsverfahren eine Hauptverhandlung anberaumen, sofern er Bedenken hat, ohne eine solche zu entscheiden oder wenn er von der Beurteilung der Tat abweichen will. Auch für den Fall, dass der Richter eine andere als die von Seiten der Staatsanwaltschaft beantragte Rechtsfolge festsetzen will, kann er eine Hauptverhandlung in die Wege leiten. In dem Fall hat er sodann aber der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen, um den Strafbefehlsantrag gegebenenfalls zu ändern.
Zustellung im Strafbefehlsverfahren
Im Strafbefehlsverfahren ist die Zustellung vom Strafbefehl oder die persönliche Übergabe an den Angeklagten zwingend erforderlich. Das Erfordernis ergibt sich aus § 35 StPO. Durch die Zustellung des Strafbefehls wird der Angeklagte über den Tatvorwurf informiert, der ihm zur Last gelegt wird. Er kann sodann entscheiden, wie er weiter vorgeht und ob er gegen den Strafbefehl Einspruch einlegen möchte oder nicht.
Einspruch gegen den Strafbefehl
Nach Zustellung des Strafbefehles hat der Angeklagte die Option, binnen einer Frist von zwei Wochen Einspruch gegen den Strafbefehl einzulegen. Der Einspruch muss schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden. Letzteres bedeutet, dass der Angeklagte persönlich zum Gericht geht und dort auf der Geschäftsstelle eine Erklärung darüber abgibt, dass er Einspruch einlegen will.
Der Einspruch gegen den Strafbefehl bedarf keiner Begründung. Erfolgt binnen der Einspruchsfrist zum Strafbefehl kein Einspruch von Seiten des Angeklagten, wird dieser rechtskräftig. Er kommt dann einem strafrechtlichen Urteil gleich.
Der Angeklagte kann im Strafbefehlsverfahren indes auch vor Ablauf der Einspruchsfrist schriftlich auf Rechtsmittel gegen den Strafbefehl verzichten. In dem Fall tritt die Rechtskraft vom Strafbefehl schon vor dem Verstreichen der zweiwöchigen Frist ein.
Ein Einspruch gegen einen Strafbefehl kann diesem Muster entsprechend formuliert werden:
An das
Amtsgericht
[Name und Anschrift des Gerichts]In der Strafsache
gegen [Name des Betroffenen]
wegen [vorgeworfenes Delikt, zum Beispiel Trunkenheit im Verkehr]
Az. [Aktenzeichen des Strafbefehls]
lege ich gegen den Strafbefehl vom [Datum des Strafbefehls]
Einspruch
ein.
Unterschrift [des Betroffenen]
Das Strafbefehlsverfahren kann sich nach Einlegung eines Einspruchs sodann folgendermaßen gestalten:
- Der Einspruch wird durch das Gericht als unzulässig verworfen.
- Der Einspruch ist zulässig und es wird ein Termin zur Hauptverhandlung anberaumt.
Verwerfung des Einspruchs
Geht der Angeklagte gegen den Strafbefehl binnen der Einspruchsfrist vor, kann es sein, dass der Einspruch unzulässig ist. Ist dies der Fall, beispielsweise weil der Einspruch nicht frist– oder formgerecht eingelegt wurde, wird er von Seiten des Gerichts verworfen. Dies ergeht in Form eines gerichtlichen Beschlusses, gegen den der Einspruchsführer (also der Angeklagte) dann wiederum die sofortige Beschwerde einlegen kann.
Anberaumung eines Termins zur Hauptverhandlung im Strafbefehlsverfahren
Sofern der Einspruch nicht als unzulässig erachtet wird, ist grundsätzlich trotz zunächst ergangenem Strafbefehl eine Hauptverhandlung anzuberaumen, sodass es dann letzten Endes doch zu einer mündlichen Verhandlung kommt.
Möglich ist dann allerdings auch noch eine Rücknahme der öffentlichen Klage durch die Staatsanwaltschaft. Dazu benötigt diese dann aber die Zustimmung des Angeklagten. Auch eine Einstellung des Verfahrens nach den Vorschriften des § 153 und folgende StPO kann erfolgen.
In der Hauptverhandlung selbst ist der Antrag auf Erlass des Strafbefehls als Ersatz der sonst zu erhebenden Anklageschrift zu sehen. Der Strafbefehl selbst ersetzt im Strafbefehlsverfahren den Eröffnungsbeschluss, der üblicherweise von Seiten des Gerichts erlassen wird.
Eine Besonderheit der Hauptverhandlung im Strafbefehlsverfahren besteht ferner darin, dass der Angeschuldigte selbst nicht zwingend in der mündlichen Verhandlung erscheinen muss. Im normalen Strafverfahren ist dies hingegen der Fall. Im Strafbefehlsverfahren kann er sich stattdessen mit entsprechender Vollmacht durch einen Anwalt vertreten lassen. Grundsätzlich ist das Gericht aber dazu befugt, das persönliche Erscheinen des Angeklagten anzuordnen und notfalls zu erzwingen. Dies ergibt sich aus § 263 StPO.
Erscheint der Angeklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht und lässt er sich auch nicht durch einen Verteidiger vertreten, wird sein Einspruch ohne mündliche Verhandlung verworfen. Dies geschieht in Form eines Urteils. Gegen dieses sind dann die Rechtsmittel der Berufung oder der Revision möglich.
Strafbefehlsverfahren: Gerichtliche Entscheidung über den Einspruch
Das Gericht ist grundsätzlich nicht an diejenigen Rechtsfolgen gebunden, welche die Staatsanwaltschaft im Strafbefehl beantragt hatte. Auch besteht die Option, den Angeklagten wegen einer anderen als der im Strafbefehl bezeichneten Tat zu verurteilen. In dem Fall hat dann jedoch ein richterlicher Hinweis nach § 265 StPO zu erfolgen.
Rücknahme des Einspruchs und der öffentlichen Klage
Der Angeklagte kann grundsätzlich den durch ihn eingelegten Einspruch im Strafbefehlsverfahren auch wieder zurücknehmen. Gleiches gilt für die Staatsanwaltschaft in Bezug auf die öffentliche Klage. Nach dem Aufruf zur Sache, mit dem die mündliche Verhandlung stets beginnt, kann dies begehrt werden. Sodann bedarf es der Zustimmung des jeweils anderen (Die Rücknahme des Einspruchs erfordert die Zustimmung der Staatsanwaltschaft und die Rücknahme der Klage die des Angeklagten). Nur wenn die jeweilige Zustimmung dann nicht erteilt wird, muss über den Einspruch entschieden werden.
Strafbefehlsverfahren: Anwendungsfälle
Typische Anwendungsfälle im Strafbefehlsverfahren sind Verkehrsdelikte wie Trunkenheit im Verkehr, unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, Gefährdung des Straßenverkehrs, Fahren ohne Fahrerlaubnis oder sonstige, einfach gelagerte Fälle zu den Tatbeständen der Sachbeschädigung, des Diebstahls oder ähnlichem. Da der Strafbefehl ohne Anhörung bzw. Verhandlung ergeht, stellt er in der Regel eine immense Entlastung für die Justiz dar.
Gerichtskosten beim Strafbefehl
Für einen Strafbefehl ohne mündliche Verhandlung fallen Gerichtskosten an in Höhe von
- 70 Euro (bei einer Geldstrafe bis 180 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten) oder
- 140 Euro (bei einer Geldstrafe über 180 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe über sechs Monaten)
Findet hingegen eine Hauptverhandlung statt, entsprechen die Verfahrenskosten beim Strafbefehl denen eines normalen Strafverfahrens. Diese belaufen sich dann auf eine Höhe von
- 140 Euro (bei einer Geldstrafe bis 180 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten) oder
- 280 Euro (bei einer Geldstrafe über 180 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe über sechs Monaten).
Sofern ein Strafbefehl infolge eines Einspruchs nicht rechtskräftig wird, es zu einer Klagerücknahme oder Einstellung kommt, werden die Kosten in der Regel nicht erhoben.
Gemäß § 465 StPO sind die Gerichtskosten im Falle einer Verurteilung vom Angeklagten zu tragen. Kommt es hingegen zum Freispruch oder zu einer Einstellung des Verfahrens, trägt sie hingegen die Staatskasse. Letzteres ist § 467 StPO zu entnehmen.
Was tun, wenn gegen Sie ein Strafbefehl ergangen ist?
Sollte gegen Sie ein Strafbefehl erlassen worden sein, kann sich der Weg zum Strafverteidiger lohnen. Insbesondere im Hinblick darauf, dass eine gerichtliche Verurteilung nach einem Einspruch durchaus auch schlechter ausfallen kann, als es der Strafbefehl ursprünglich vorgesehen hat, kann es sinnvoll sein, sich den Rat eines erfahrenen Anwaltes einzuholen. Sie sollten also nicht unbedacht und vorschnell gegen den Strafbefehl vorgehen.
Vor allem ein Fachanwalt für Strafrecht ist mit der Materie bestens vertraut. Er kennt sich mit dem Strafbefehlsverfahren aus und weiß, worauf es hier zu achten gilt. Fachanwälte haben sich in ihrem jeweiligen Spezialgebiet besonders qualifiziert, indem sie einen entsprechenden Fachanwaltslehrgang durchlaufen haben. Hier haben Sie also einen wahren Experten an Ihrer Seite.
Strafbefehlsverfahren im Jugendstrafrecht?
Im Jugendstrafrecht gelten Besonderheiten. Gegen Jugendliche, also Personen, die bereits 14 aber noch nicht 18 Jahre alt sind, kann ein Strafbefehl grundsätzlich nicht verhängt werden. Bei Heranwachsenden (Personen von 18 bis 20 Jahren) kann ein Strafbefehl nicht erlassen werden, dessen Rechtsfolgen eine Freiheitsstrafe vorsieht. Nur wenn gegen sie das allgemeine Strafrecht für Erwachsene anzuwenden ist, ist ein Strafbefehl zulässig.
Ich will Anzeige gegen stadt Oberhausen machen
Ok