Höhere Gewalt: Definition, Beispiele und Gesetze

Von Nicole P.

Letzte Aktualisierung am: 17. März 2024

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Ist Krankheit oder Streik höhere Gewalt? Die Bedeutung des Begriffs liefert dieser Ratgeber.
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FAQ: Höhere Gewalt

Was versteht man unter höherer Gewalt?

In den deutschen Gesetzen findet sich keine Begriffserklärung, weshalb diese durch die Rechtsprechung entstanden ist. Laut Definition bezeichnet „höhere Gewalt“ ein von außen kommendes, unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis, welches auch durch äußerste Sorgfalt nicht verhütet oder abgewendet werden kann. Hierzu zählen unter anderem Naturkatastrophen, Krieg oder Pandemien.

Was sind Schäden durch höhere Gewalt?

Welche Auswirkungen höhere Gewalt hat, hängt grundsätzlich vom betroffenen Rechtsgebiet bzw. Lebensbereich ab. So kann höhere Gewalt im Reiserecht zum Beispiel zu Flugausfällen führen, wohingegen im Vertragsrecht nicht selten ein Lieferverzug zu beklagen ist.

Wer zahlt für Schäden durch höhere Gewalt?

Entstehen Schäden durch höhere Gewalt, kann eine Versicherung dafür aufkommen. Hausbesitzer können etwa eine Versicherung für Elementarschäden abschließen und sich gegen Überschwemmungen, Lawinen und Erdbeben absichern. Wird durch höhere Gewalt Ihr Fahrzeug beschädigt, haftet eine Kfz-Versicherung – genau die Teil- bzw. Vollkasko.

Was ist höhere Gewalt?

Eine Definition für den Begriff „höhere Gewalt“ lieferte der BGH in einem Urteil zum Reiserecht.
Eine Definition für den Begriff „höhere Gewalt“ lieferte der BGH in einem Urteil zum Reiserecht.

Unter dem Begriff „höhere Gewalt“ wird in der Rechtsprechung ein unabwendbares, schadenverursachendes Ereignis verstanden. Dieses kann auch durch äußerste Sorgfalt nicht verhütet oder verhindert werden. In der französischen und internationalen juristischen Fachsprache ist üblicherweise von „Force Majeure“ die Rede.

Die deutschen Gesetze sehen keine Begriffserklärung für die höhere Gewalt vor, weshalb diese durch die Rechtsprechung definiert wurde. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat höhere Gewalt mit Blick auf das Reiserecht in einem Urteil von 16.05.2017 (Az.: X ZR 142/15) wie folgt definiert:

Höhere Gewalt im Sinne des § 651j BGB (a.F.) ist ein von außen kommendes, auch durch die äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis, das weder der betrieblichen Sphäre des Reiseveranstalters noch der persönlichen Sphäre des Reisenden zuzuordnen ist.

Anhand dieser Definition fallen unter den Begriff „höhere Gewalt“ unter anderem Naturkatastrophen wie Erdbeben, Überschwemmungen, Hurricane und Waldbrände. Zudem werden üblicherweise auch Pandemien und Seuchen ebenso wie Kriege, Bürgerkriege, Revolutionen und Rebellionen umfasst.

Höhere Gewalt im Vertragsrecht: Was sind die Folgen?

Durch eine Höhere-Gewalt-Klausel können sich Vertragspartner für den Ernstfall absichern.
Durch eine Höhere-Gewalt-Klausel können sich Vertragspartner für den Ernstfall absichern.

Schließen zwei oder mehrere Parteien einen Vertrag ab, ist dieser gemäß dem Grundsatz „Pacta sunt servanda“ einzuhalten. Von diesem Prinzip der Vertragstreue gibt es allerdings auch Ausnahmen, wie etwa bei höherer Gewalt. Um sich für den Ernstfall abzusichern, enthalten die Verträge bzw. Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eine Force-Majeure- oder Höhere-Gewalt-Klausel.

Entsprechende Klauseln sehen zum Beispiel üblicherweise eine Anzeigepflicht vor. Das bedeutet, dass die Vertragspartei, die durch höhere Gewalt geschädigt ist, den Vertragspartner innerhalb einer bestimmten Frist informieren muss.

Darüber hinaus wird gewöhnlich vereinbart, dass Unternehmen vom Vertrag ganz oder teilweise zurücktreten können, wenn durch höhere Gewalt die vertraglich vereinbarte Lieferung oder Ausführung unmöglich oder unzumutbar ist. Ein Anspruch auf Schadensersatz wird für solche Fälle ausgeschlossen.

Wie eine entsprechende Klausel aussehen kann, zeigt das nachfolgende Beispiel:

„Kann eine Frist wegen höherer Gewalt nicht eingehalten werden, z.B. Krieg oder Naturkatastrophen, verlängern sich die Fristen um die Zeiten, während derer das vorbezeichnete Ereignis oder seine Wirkungen andauern. Ein Anspruch auf Schadensersatz besteht in diesem Fall nicht. Die Vertragspartner sind innerhalb von 48 Stunden über das zu benennende höhere Gewalt-Ereignis zu informieren.“

Übrigens! AGB unterliegen einer besonderen Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB. Eine Höhere-Gewalt-Klausel kann demnach ungültig sein, wenn sie den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Daher ist es bereits vor der Unterzeichnung entsprechender Schriftstücke sinnvoll, diese durch einen fachkundigen Anwalt für Vertragsrecht prüfen zu lassen.

Was bedeutet höhere Gewalt im Arbeitsrecht?

Vorübergehende Verhinderung durch höhere Gewalt: Laut BGB besteht weiterhin ein Anspruch auf Vergütung.
Vorübergehende Verhinderung durch höhere Gewalt: Laut BGB besteht weiterhin ein Anspruch auf Vergütung.

Im Berufsleben gilt gemeinhin der Grundsatz: „Ohne Arbeit kein Lohn.“ Allerdings sieht auch das Arbeitsrecht bei durch höhere Gewalt verursachte Dienstverhinderungen mitunter Ausnahmen vor. So besteht in folgenden Fällen für Angestellte auch ohne erbrachte Arbeitsleistung gemäß § 616 BGB weiterhin ein Vergütungsanspruch:

  • Krankheit des Angestellten
  • Krankheit des Kindes des Angestellten
  • Einbruch/Wohnungsbrand beim Angestellten
  • Persönliche Unglücksfälle

Erschweren Unwetter oder die Bestreikung der öffentlichen Verkehrsmittel den Weg zur Arbeit, sind Arbeitnehmer dennoch dazu verpflichtet, alles Erforderliche zu unternehmen, um pünktlich zur Arbeit zu kommen. Dies gilt insbesondere, wenn über entsprechende Ereignisse bereits im Vorfeld ausreichend in den Medien informiert wurde. Denn in einem solchen Fall hat der Mitarbeiter die Möglichkeit, sich auf eventuelle Beeinträchtigungen einzustellen und geeignete Maßnahmen – wie etwa das frühere Losfahren – zu ergreifen. 

Wie wirkt sich höhere Gewalt auf die Haftung bei Verkehrsunfällen aus?

Verkehrsunfälle durch höhere Gewalt: Die gesetzliche Regelung schließt eine Haftung des Halters aus.
Verkehrsunfälle durch höhere Gewalt: Die gesetzliche Regelung schließt eine Haftung des Halters aus.

Auch im Verkehrsrecht, insbesondere bei der Halterhaftung, kann die höhere Gewalt gemäß § 7 StVG eine wichtige Rolle spielen. Denn grundsätzlich haftet der Halter eines Kfz, wenn beim Betrieb dieses eine andere Person verletzt oder getötet oder eine Sache beschädigt wird. Dies gilt auch, wenn der Besitzer ohne Verschulden handelt. Allerdings sieht der Gesetzgeber unter bestimmten Umständen einen Haftungsausschluss vor. Im Gesetzestext heißt es:

(1) Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

(2) Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird.

Höhere Gewalt schließt laut Gesetz demnach eine Ersatzpflicht aus. Mögliche Beispiele für ein unvorhersehbares und nicht vermeidbares Ereignis beim Betrieb von Kraftfahrzeugen beschränken sich meist auf die Folgen von Naturereignissen oder Sabotageakte durch Dritte.

Auch im Fahrgastrecht führt höhere Gewalt zum Verlust von Ansprüchen auf Entschädigung. Verspäten sich Züge etwa aufgrund von Unwetter oder Kabelklau, sind Bahnunternehmen seit dem 7. Juni 2023 nicht mehr dazu verpflichtet, den entstandenen Schaden zu ersetzen. Kommt es hingegen aufgrund von Streik zu Verspätungen im Zugverkehr, rechtfertigt dies weiterhin eine Entschädigungszahlung.

Quellen und weiterführende Links

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Über den Autor

Nicole
Nicole P.

Seit 2016 verstärkt Nicole die Redaktion von anwalt.org. Zuvor absolvierte sie ein Studium der Buchwissenschaft und Kulturanthropologie in Mainz. Zu ihren thematischen Schwerpunkten zählen unter anderem die verschiedenen Aspekte des Verkehrs- und insbesondere des Urheberrechts.

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