FAQ: Hinweisgeberschutzgesetz
Das Kabinett hat den Entwurf für das Hinweisgeberschutzgesetz am 27. Juli 2022 beschlossen. Das HinSchG sollte noch im September 2022 verabschiedet werden. Erst Anfang Februar 2023 aber landete es zur Abstimmung im Bundesrat. Dieser hat den Gesetzentwurf in der damaligen Form jedoch zunächst blockiert. Seit Juli 2023 ist es nun in Kraft. Weiter unten können Sie mehr über den zeitlichen Ablauf erfahren.
Whistleblower bzw. Hinweisgeber machen auf Missstände und Straftaten aufmerksam, die ihnen zum Beispiel im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit bekannt geworden sind. Mehr zur Bedeutung des Begriffes erfahren Sie hier.
Das HinSchG soll Whistleblower in Unternehmen vor möglichen Repressalien und Vergeltungsmaßnahmen seitens der Arbeitgeber schützen, fällt damit also überwiegend in den Bereich des Arbeitsrechts. Es gibt dabei auch vor, welche Kanäle Unternehmen ihren Angestellten künftig bereitstellen müssen, damit diese entsprechende Hinweise intern an den Arbeitgeber oder an eine externe Meldestelle übermitteln können. Mehr zu den Regelungen im Hinweisgeberschutzgesetz lesen Sie hier.
Die Verpflichtung soll laut entsprechendem Gesetz künftig für Unternehmen und Organisationen mit 50 und mehr Mitarbeitenden gelten. Unternehmen mit bis 249 Mitarbeitern sollen sich Hinweisgebersysteme auch mit anderen teilen können.
Vorgesehen ist die Ahndung von Verstößen nach § 31 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG), wodurch Bußgelder von bis zu 10 Millionen Euro möglich wären.
Inhalt
Definition: Was ist ein Whistleblower?
Wohl kaum ein anderer Name hat den Begriff in Deutschland und der Welt so bekannt gemacht wie Edward Snowden. Der ehemalige CIA-Agent deckte zahlreiche Praktiken der US- und UK-Geheimdienste auf, mithilfe derer die USA sogar befreundete Staaten wie etwa Deutschland systematisch ausspionierten und überwachten. Die NSA-Affäre bedeutete für Snowden letztlich die Flucht. Aus Angst vor einer Anklage und einer lebenslangen Haftstrafe in den USA floh er 2013 nach Moskau. Dort lebt er auch weiterhin im Exil.
Ein anderer weltberühmter Fall ist der von Chelsea Manning (vormals Bradley Manning), einer ehemaligen IT-Spezialistin der US-Streitkräfte. Ihr wurde vorgeworfen, vertrauliche Videos und Dokumente an WikiLeaks durchgestochen zu haben (Zur Erinnerung: Auch WikiLeaks-Gründer Julian Assange kämpfte viele Jahre gegen seine drohende Auslieferung an die USA). 2013 wurde die Whistleblowerin in den USA u. a. wegen Diebstahls und Spionage zu 35 Jahren Haft verurteilt. Bereits 2017 wurde sie wieder freigelassen, nachdem der ehemalige Präsident Barack Obama ihr einen Großteil der Haftstrafe erließ.
Natürlich handelt es sich bei diesen Fällen um Extreme, doch sie zeigen sehr deutlich, was einen Whistleblower – in Deutschland auch Hinweisgeber genannt – ausmacht:
- Ein Whistleblower macht Missstände oder Straftaten bekannt, von denen er in einem geheimen oder geschützten Rahmen (z. B. am Arbeitsplatz) Kenntnis erlangt hat.
- Hinweisgeber sehen sich dabei in der Folge oftmals potentiellen Repressionen durch den Arbeitgeber, die Politik oder die Justiz ausgesetzt und mit Vorwürfen der Spionage oder des Geheimnisverrats konfrontiert.
- In der breiten Öffentlichkeit genießen Hinweisgeber jedoch nicht selten großes Ansehen, weil sie diese persönlichen Risiken dennoch in Kauf nehmen, um für mehr Transparenz zu sorgen.
Nicht alle Fälle, in denen Hinweisgeber Informationen durchstechen, sind so spektakulär oder führen zu solch breiter medialer Aufmerksamkeit wie die NSA-, WikiLeaks- oder etwa die Watergate-Affäre. Schon im Kleinen können Whistleblower viel bewirken, z. B. Korruption innerhalb eines Unternehmens oder einer Behörde, Steuerhinterziehung, Verstöße gegen das Mindestlohngesetz oder Insiderhandel aufdecken und Menschenrechtsverletzungen öffentlich machen bzw. an die Strafverfolgungsbehörden entsprechende Informationen weiterleiten.
Woher der Begriff „Whistleblower“ (whistle = (Triller)Pfeife, to blow = pusten) kommt, ist nicht sicher geklärt. Er wurde erstmals in den 1970er Jahren in diesem Bedeutungsumfang im Englischen verwendet. Vermutet wird ein Bedeutungszusammenhang zum deutschen Wort „verpfeifen“. Es gibt u. a. folgende Theorien zum Ursprung:
- Englische Polizisten verwendeten früher Trillerpfeifen, um andere Polizisten auf Verbrechen aufmerksam zu machen.
- Schiedsrichter nutzen die Pfeife, um das Spiel nach einem Regelverstoß zu unterbrechen.
- Der Begriff leite sich von der Redewendung „to blow a whistle“ (allg. Aufdecken von Fehlverhalten) ab.
Whistleblower-Richtlinie und Hinweisgeberschutzgesetz: Verbesserter Schutz für Enthüller
In vielen Ländern werden Whistleblower mittlerweile per Gesetz geschützt. In Europa war dieser Schutz oftmals noch lückenhaft. Die EU hat im Rahmen der Whistleblower-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden) deshalb einen gesetzlichen Rahmen geschaffen, durch den Hinweisgeber, die auf Verstöße gegen das Unionsrecht aufmerksam machen, innerhalb der EU besser vor Repressalien bewahrt werden sollen. Deutschland plant die Umsetzung dieser Richtlinie mittels Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG).
Verspätung beim Hinweisgeberschutzgesetz: Aktueller Stand
Ursprünglich hätte bei der EU-Whistleblower-Richtlinie eine Umsetzung in staatliches Recht bis spätestens 17. Dezember 2021 erfolgen müssen. Deutschland und 22 weitere EU-Staaten haben diese Frist jedoch versäumt. Ende Januar leitete die EU deshalb gegen die betroffenen Länder ein Vertragsverletzungsverfahren ein.
Im April 2022 wurde ein Entwurf für das Hinweisgeberschutzgesetz vom BMJV veröffentlicht. Am 27. Juli 2022 beschloss das Bundeskabinett einen leicht überarbeiteten Entwurf. Das Gesetzgebungsverfahren hat damit begonnen. Nach der Beratung im Bundestag lag es dem Bundesrat erst am 10. Februar 2023 zur Entschließung vor. Eine Zustimmung erhielt der Gesetzentwurf in der Form aber nicht. Es musste ein Vermittlungsausschuss her. Die Umsetzung des Gesetzes verzögerte sich damit weiter. Erst im Juli 2023 traft das Hinweisgeberschutzgesetz in Kraft.
Auf den folgenden Seiten finden Sie die Entwürfe zum Hinweisgeberschutzgesetz:
Wer fällt unter das Gesetz zum Schutz für Whistleblower?
- Hinweisgeber: Dies gilt auch für zunächst anonyme Hinweisgeber, sofern deren Identität später aufgedeckt wird, sowie im Einzelfall auch bei einer Öffentlichmachung der Informationen.
- Personen, die selbst Gegenstand der Meldung sind.
- sonstige von der Meldung betroffene Personen.
Welche Regelungen sieht das Hinweisgeberschutzgesetz vor?
Im Folgenden die wichtigsten Eckpunkte des HinSchg:
- Hinweisgebersystem: Unternehmen und Organisationen ab 50 Mitarbeitern müssen sogenannte Hinweisgebersysteme einrichten. In diesem müssen zwei gleichwertige Meldekanäle geschaffen werden: intern und extern. Für Unternehmen zwischen 50 und 249 Mitarbeitenden soll eine Übergangsfrist bis Dezember 2023 gelten. Diese können sich darüber hinaus auch Hinweisgebersysteme teilen.
- Meldestellen: Für die Errichtung der externen Meldestelle ist das Bundesamt für Justiz verantwortlich. Auch die Bundesländer können eigene externe Meldestellen einrichten. Die Unternehmen sind zur Einrichtung interne Meldestellen verpflichtet, können diese aber ggf. auch teilen oder outsourcen. Die Umsetzung der internen Meldestelle ist auf folgenden Wegen möglich: telefonische Hotline, direkter Ansprechpartner für physische Zusammenkunft, elektronisches Hinweisgebersystem
- Wahlrecht: Bislang hatten interne Meldestellen in Unternehmen Vorrang vor externen. Mit dem neuen Hinweisgeberschutzgesetz erhalten die Whistleblower ein Wahlrecht und dürfen somit frei wählen, welchen der Meldekanäle sie nutzen wollen.
- Gang an die Öffentlichkeit: Die Öffentlichmachung über Medien und Presse soll nach HinSchG ebenfalls dann ungestraft bleiben (und die betroffenen Hinweisgeber damit unter den gesetzlichen Schutz fallen), wenn Meldestellen zuvor nicht auf deren Hinweise reagiert haben oder aber eine mögliche “Gefährdung des öffentlichen Interesses” hinreichend begründet erscheint.
- Verstöße gegen EU- und nationales Recht: Um die Verunsicherung bei potentiellen Hinweisgebern zu verringern, ist im Hinweisgeberschutzgesetz der Anwendungsbereich nicht nur auf Verstöße gegen EU-Recht, sondern auch auf gravierende Zuwiderhandlungen gegen nationales Recht ausgeweitet worden. Dies betrifft dabei sowohl Straftaten als auch Ordnungswidrigkeiten, sofern letztere das Leben oder die Gesundheit gefährden.
- Anonyme Hinweise: Es soll keine grundsätzliche Verpflichtung bestehen, auch anonymen Hinweisen nachzugehen. Soweit die Bearbeitung von namentlich bekannten Hinweisgebern jedoch nicht darunter leidet, gilt die Empfehlung, auch solchen anonymen Meldungen nachzugehen. Vor dem Hintergrund, dass der Großteil der Whistleblower statistisch gesehen lieber anonym bleibt, begründet dabei auch, dass Unternehmen eine entsprechende Möglichkeit in den Meldesystemen schaffen sollten.
- Beweislastumkehr zugunsten der Hinweisgeber: Wird ein Whistleblower entlassen, muss nach den aktuellen Plänen künftig der Arbeitgeber nachweisen, dass zwischen der Kündigung und den gemachten Meldungen kein Zusammenhang besteht.
- Schadensersatzanspruch: Repressalien und Vergeltungsmaßnahmen gegen einen angestellten oder verbeamteten Hinweisgeber können Ansprüche auf Schadensersatz begründen.
- Sanktionen: Verstößt eine natürliche oder juristische Person gegen das Hinweisgeberschutzgesetz, so sollen entsprechende Ordnungswidrigkeiten nach § 30 OWiG geahndet werden können. Die möglichen Bußgelder lägen damit dann bei bis zu 10 Millionen Euro bei Vorsatz und bis zu 5 Millionen bei Fahrlässigkeit. Mögliche Zuwiderhandlungen wären etwa Verstöße gegen das Verbot von Repressalien und Vergeltungsmaßnahmen, aber auch falsche Meldungen.
Das Hinweisgeberschutzgesetz gibt den Meldestellen strenge Fristen vor:
- Innerhalb von 7 Tagen müssen interne Meldestellen den Eingang der Meldung gegenüber dem Hinweisgeber bestätigen.
- Innerhalb von 3 Monaten nach der Meldung muss die Meldestelle den Whistleblower zudem darüber informieren, welche Maßnahmen getroffen wurden.