Versammlung: Definition im Verfassungs- und Versammlungsrechts

Was ist eine Versammlung laut Definition?
Was ist eine Versammlung laut Definition?

FAQ: Definition einer Versammlung

Welche Versammlungen fallen unter Art. 8 GG?

Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit gilt für alle friedlichen und unbewaffneten Versammlungen, die der öffentlichen Meinungsbildung und -äußerung und damit der kollektiven Ausübung der Meinungsfreiheit dienen. Schauen Sie sich hierzu auch unsere Infografik an.

Wie viele Leute braucht man für eine Versammlung?

Das ist umstritten. Eine Versammlung liegt laut Definition erst vor, wenn zwei oder mindestens drei Personen zusammenkommen. Hier erfahren Sie mehr dazu.

Ist eine Sitzblockade eine Versammlung?

Ja. Nach Auffassung der Rechtsprechung schützt Art. 8 I Grundgesetz auch nonverbale Ausdrucksformen der kollektiven Meinungsäußerung wie Trauermärsche und Sitzblockaden.

Begriff der Versammlung – Definition des BVerfG

Begriff der Versammlung: Art. 8 GG beinhaltet keine Definition.
Begriff der Versammlung: Art. 8 GG beinhaltet keine Definition.

Das Versammlungsrecht im Sinne des Art. 8 GG ist ein wichtiges Grundrecht, das es den Bürgern ermöglicht, aktiv an der Meinungs- und Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen mitzuwirken.

Neben den Wahlen bieten Versammlungen eine weitere wesentliche Möglichkeit, um Einfluss auf die Politik zu nehmen.

Doch was genau ist eine Versammlung? Eine Definition des Begriffs findet sich weder in Art. 8 GG noch im Versammlungsgesetz (VersG).

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) definiert eine Versammlung im Sinne des Art. 8 GG als eine …

„… örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung.“

[Quelle: BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001, Az.: 1 BvR 1190/90 – 1 BvR 2173/93 – 1 BvR 433/96]

Allerdings lässt diese Definition zwei Fragen offen, über die sich die Juristen streiten:

  1. Wie viele Menschen machen eine Versammlung aus bzw. ist eine Mindestzahl erforderlich?
  2. Welchen gemeinsam verfolgten Zweck müssen die sich versammelnden Menschen verfolgen?

Definition der Versammlung: Erforderliche Personenanzahl umstritten

Abgrenzung zwischen Versammlung und Veranstaltung: Worin liegt der Unterschied?
Abgrenzung zwischen Versammlung und Veranstaltung: Worin liegt der Unterschied?

Eine Versammlung liegt laut Definition erst vor, wenn mehrere Personen zusammenkommen:

  • Eine einzelne Person reicht schon nach dem Wortlaut des Art. 8 Abs. 1 GG nicht aus.
  • Nach der einen Ansicht genügen bereits zwei Teilnehmer, um das Grundrecht der Versammlungsfreiheit – die kollektive Ausübung der Meinungsfreiheit – so umfassend wie möglich zu gewährleisten.
  • Nach einer anderen Auffassung sind mindestens drei Teilnehmer erforderlich. Deren Vertreter argumentieren unter anderem mit dem Wortsinn bzw. den allgemeinen Sprachgebrauch: Nur mehrere Menschen könnten „sich versammeln.“

Nach einer weiteren Ansicht bilden erst mindestens sieben Personen eine Versammlung. Sie berufen sich auf § 56 BGB, wonach ein Verein mindestens sieben Mitglieder haben soll. Diese Forderung wird heute abgelehnt: Einerseits, weil die Bezugnahme auf die Vereinsfreiheit unsystematisch ist und andererseits, weil eine zivilrechtliche Voraussetzung nicht für die verfassungsrechtliche Definition einer Versammlung herangezogen werden kann. Denn das Zivilrecht steht in der Normenhierarchie unter dem Grundgesetz.

Gemeinsamer Zweck: Abgrenzung zwischen Versammlung und Ansammlung

Eine Versammlung liegt laut Definition erst vor, wenn mehrere Menschen einen gemeinsamen Zweck verfolgen und dadurch innerlich miteinander verbunden sind.

Was ist der Unterschied zwischen Ansammlung und Versammlung?
Was ist der Unterschied zwischen Ansammlung und Versammlung?

Durch dieses Merkmal unterscheidet sich die Versammlung von einer bloßen Menschenansammlung, die nicht unter den Schutz des Art. 8 GG fällt.

Bei einer reinen Ansammlung fehlt diese innere Verbundenheit: Die Menschen hier beispielsweise nur aus Neugier zusammen – wie etwa Schaulustige nach einem Unfall.

Zurück zur Definition der Versammlung – im Hinblick auf das erforderliche gemeinsame Anliegen gehen die Meinungen der Juristen auseinander:

  • Nach einer Ansicht soll jeder gemeinsam verfolgte Zweck genügen, z. B. gemeinsames Musizieren oder Tanzen. Auch eine Facebook-Party wäre damit per Definition eine Versammlung.
  • Nach überwiegender Ansicht handelt es sich nur dann um eine Versammlung, wenn deren Teilnehmer zum Zweck der gemeinsamen Meinungsbildung oder Meinungsäußerung zusammenkommen. Denn Art. 8 GG will die kollektive Meinungsäußerung schützen.
  • Das Bundesverfassungsgericht geht noch einen Schritt weiter. Nach seiner Ansicht ist eine Versammlung laut Definition eine auf die „Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung“ gerichtete, örtliche Zusammenkunft. Das heißt, die Meinungsbildung bzw. -äußerung muss sich auf eine öffentliche Angelegenheit beziehen.

Demnach stellen z. B. Flashmobs eine Versammlung dar, wenn deren Teilnehmer maßgeblich Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung nehmen und auf politische Missstände aufmerksam machen wollen.

Damit vertritt das Bundesverfassungsgericht einen sehr engen Versammlungsbegriff – mit der Folge, dass sich die Veranstalter von Großevents wie der Love Parade nicht auf die verfassungsrechtliche Versammlungsfreiheit berufen können. Denn bei ihnen steht der Spaßfaktor im Vordergrund. Es handelt sich um eine reine Musik- und Tanzveranstaltung, auch wenn deren Teilnehmer die Gelegenheit zur Meinungskundgabe nutzen.

Infografik: Verfassungsrechtliche Definition einer Versammlung

Versammlung – Definition nach dem VersG und Unterschiede zu Art. 8 GG

Was ist eine Versammlung nach dem Versammlungsgesetz?
Was ist eine Versammlung nach dem Versammlungsgesetz?

Der Begriff der Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes des Bundes (VersG) entspricht dem oben erwähnten Versammlungsbegriff des Bundesverfassungsgerichts.

Dennoch gibt es einige Unterschiede zwischen Art. 8 GG und dem Versammlungsgesetz.

Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG schützt …

  • lediglich das Recht der Menschen, sich friedlich zu versammeln. Eine Versammlung gilt als friedlich, wenn sie keinen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nimmt und wenn ein solcher Verlauf auch nicht zu erwarten ist. Verhält sich eine Mehrheit der Versammelten oder die Versammlungsleitung aggressiv, handelt es sich immer noch um eine Versammlung laut Definition des BVerG, sie verliert aber ihren verfassungsrechtlichen Schutz und darf beispielsweise von vornherein verboten werden.
  • sowohl öffentliche als auch nicht öffentliche Versammlungen.

Das Versammlungsgesetz umfasst …

  • auch unfriedliche und bewaffnete Versammlungen. Dies ergibt sich z. B. aus § 2 Abs. 3 VersG, wonach niemand bei öffentlichen Versammlungen oder Aufzügen Waffen oder vergleichbare gefährliche Gegenstände mit sich führen darf, und aus § 5 Nr. VersG, wonach eine Versammlung verboten werden darf, wenn der Veranstalter oder Versammlungsleiter bewaffneten Teilnehmern Zutritt gewährt.
  • nach der herrschenden Meinung nur öffentliche Versammlungen. Das heißt, die Vorschriften des Versammlungsgesetzes gelten – bis auf einzelne Vorschriften – nicht für nicht öffentliche Versammlungen.

Gut zu wissen: Einige Bundesländer haben ihre eigene Versammlungsgesetze mit teils abweichenden Versammlungsbegriffen. In Bayern ist eine Versammlung laut Definition in Art. 8 Abs. 2 BayVersG „eine Zusammenkunft von mindestens zwei Personen zur gemeinschaftlichen, überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung.“ Das Sächsische Versammlungsgesetz enthält eine ähnliche Definition.

Versammlungsbegriffe aus dem Versammlungsgesetz

Eine Versammlung in geschlossenen Räumen liegt laut Definition vor, wenn der Versammlungsort seitlich begrenzt ist.
Eine Versammlung in geschlossenen Räumen liegt laut Definition vor, wenn der Versammlungsort seitlich begrenzt ist.

Das Versammlungsgesetz unterscheidet zwischen öffentliche und nicht öffentlichen Versammlungen.

  • Eine nicht öffentliche Versammlung liegt laut Definition vor, wenn eben nicht jedermann Zugang hat, wie das z. B. bei Parteitagen der Fall ist. Auch andere Versammlungen, zu denen nur bestimmte Personen eingeladen sind, sind nicht öffentlich, weil sich der Teilnehmerkreis hier genau abgrenzen lässt. Für diese Versammlungen gilt das Versammlungsgesetz nicht, allerdings ist das Grundrecht aus Art. 8 GG besonders zu beachten.
  • Eine öffentliche Versammlung ist laut Definition der Rechtsprechung eine Zusammenkunft, an der jeder teilnehmen kann, der davon Kenntnis erhält. Der teilnehmende Personenkreis lässt sich also nicht individuell abgrenzen. Das trifft beispielsweise auf den herkömmlichen, im öffentlichen Straßenraum stattfindenden Versammlungen zu.

Weiterhin differenziert der Gesetzgeber zwischen Versammlungen, die in geschlossenen Räumen stattfinden, und Zusammenkünften unter freiem Himmel. Ausschlaggebend für die Abgrenzung ist nicht die Überdachung, sondern die Frage, ob der Versammlungsort seitlich begrenzt ist:

  • Eine Versammlung unter freiem Himmel liegt laut Definition vor, wenn der Versammlungsort keine seitlichen Begrenzungen aufweist und damit für jedermann frei zugänglich ist, sodass sich neue Teilnehmer anschließen können. Hierunter fallen Versammlungen auf Straßen, Plätzen, in Parkanlagen und auf anderen öffentlichen Auch eine Versammlung im Einkaufszentrum findet „unter freiem Himmel“ statt, obwohl es überdacht ist.
  • Eine Versammlung findet in geschlossenen Räumen statt, wenn es seitliche Begrenzungen gibt, sodass kein öffentlicher Publikumsverkehr stattfindet, sondern nur bestimmte Personen Zugang haben – und nicht jedermann. Das tritt z. B. auf Versammlungen im Stadion zu, obwohl Stadien üblicherweise nicht überdacht sind.

Quellen und weiterführende Links

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Über den Autor

Sascha Münch (Rechtsanwalt)
Sascha Münch

Sascha Münch ist Rechtsanwalt für Verbraucher-, Schadens- und Wirtschaftsrecht sowie Notar a. D. Er studierte an der Universität Bremen und absolvierte im Anschluss sein Referendariat am OLG Celle. Als Autor für anwalt.org informiert er seine Leser zu Themen wie Vertragsabschlüssen und Entschädigungen.

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