Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) als Grundfreiheit

Dienstleistungsfreiheit: Typische Beispiele für Dienstleistungen sind handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten, die grenzüberschreitend erbracht oder empfangen werden.
Dienstleistungsfreiheit: Typische Beispiele für Dienstleistungen sind handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten, die grenzüberschreitend erbracht oder empfangen werden.

FAQ: Dienstleistungsfreiheit

Was bedeutet Dienstleistungsfreiheit in der EU?

Dienstleistungsfreiheit bedeutet laut Definition, dass zum Beispiel Angehörige eines EU-Mitgliedsstaats ihre Dienstleistungen auch in einem anderen EU-Staat anbieten dürfen. Hier lesen Sie mehr dazu.

Wovor genau schützt die Dienstleistungsfreiheit?

Art. 56 AUEV verbietet eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit insbesondere durch nationale Regelungen der Mitgliedsstaaten. Den Schutzbereich erläutern wir an dieser Stelle genauer.

Ist die Dienstleistungsfreiheit subsidiär?

Ja. Die in der EU geltende Dienstleistungsfreiheit umfasst nur solche Dienstleistungen, die nicht bereits unter die Warenverkehrs-, Kapitalverkehrs- oder Niederlassungsfreiheit fallen. Sie ist damit laut Art. 57 AEUV subsidiär.

Was hat die Dienstleistungsfreiheit für Vor- und Nachteile?

Selbstständige und Unternehmer können ihre Dienstleistungen grenzüberschreitend anbieten, ohne dass sie dafür eine Niederlassung in einem anderen EU-Staat benötigen. Das führt zu einem deutlich größeren Angebot, das für Kunden allerdings auch schnell unübersichtlich werden kann.

Was ist die Dienstleistungsfreiheit einfach erklärt?

Was ist die passive Dienstleistungsfreiheit?
Was ist die passive Dienstleistungsfreiheit?

Sowohl Unionsbürger als auch Unternehmen mit einer Niederlassung in einem EU-Mitgliedsstaat genießen verschiedene Grundfreiheiten in der Europäischen Union. Eine davon ist die Dienstleistungsfreiheit.

Sie berechtigt Dienstleister dazu, ihre Leistungen nicht nur am Ort ihrer Niederlassung anzubieten, sondern auch grenzüberschreitend in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union.

Darüber hinaus ist auch die passive Dienstleistungsfreiheit durch Art. 56 AEUV geschützt: Unionsbürger dürfen demnach Dienstleistungen aus einem anderen EU-Staat in Anspruch nehmen.

Die einzelnen EU-Staaten dürfen die Freiheit der Dienstleistungen innerhalb der Europäischen Union nicht (ungerechtfertigt) durch nationale Gesetze oder anderweitige Vorschriften einschränken. Widerspricht eine nationale Gesetzesregelung ein einem konkreten Fall der Dienstleistungsfreiheit – oder einer anderen Grundfreiheit –, so darf die Vorschrift nicht angewendet werden. 

Darüber hinaus konkretisiert auch diese Grundfreiheit das in Art. 18 AEUV verankerte Diskriminierungsverbot, das eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verbietet. Vereinfacht ausgedrückt: Dienstleister aus einem anderen EU-Staat dürfen aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht durch nationale Regelungen schlechter gestellt bzw. benachteiligt werden.

Persönlicher Schutzbereich: Wer darf sich auf die Dienstleistungsfreiheit berufen?

  • Alle Unionsbürger dürfen sich innerhalb der Europäischen Union auf die Freiheit der Dienstleistungen berufen, wenn sie ihre Dienstleistungen im Sinne des Art. 56 AEUV vorübergehend in einem anderen Mitgliedsstaat anbieten und ausüben möchten.
  • Auch juristische Personen bzw. andere rechtsfähige Gesellschaften fallen unter den persönlichen Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit.
  • Zu guter Letzt gilt die Dienstleistungsfreiheit auch für Empfänger von Dienstleistungen, wenn sie dafür eine Binnengrenze innerhalb der EU überschreiten.

Sachlicher Schutzbereich: Dienstleistung im Sinne des Art. 56 AEUV

Wie unterscheiden sich Arbeitnehmer- und Dienstleistungsfreiheit? Arbeitnehmer sind weisungsgebunden, Dienstleister weisungsfrei.
Wie unterscheiden sich Arbeitnehmer- und Dienstleistungsfreiheit? Arbeitnehmer sind weisungsgebunden, Dienstleister weisungsfrei.

Die Dienstleitungsfreiheit verleiht den Berechtigten das Recht, …

  • ihre Dienstleistungen vorübergehend in einem anderen Mitgliedsstaat zu erbringen (aktive Dienstleistungsfreiheit).
  • als Empfänger der Dienstleistung die Grenze zu überschreiten, um die Dienstleistung entgegenzunehmen (negative bzw. passive Dienstleistungsfreiheit). Das ist beispielsweise für Touristen relevant, die im EU-Ausland touristische Dienstleistungen in Anspruch nehmen.
  • dass allein ihre Dienstleistung die Grenze überschreitet (Korrespondenzdienstleistung): Das bedeutet, Erbringer und Empfänger der Leistung bleiben, wo sie sind. Sie kommunizieren per Telefon, Internet oder E-Mail, beispielsweise im Rahmen einer Rechts- oder Steuerberatung.

Es bedarf immer einer Grenzüberschreitung innerhalb der Europäischen Union. Darüber hinaus ist auch die grenzüberschreitende Anbahnung von Geschäftsbeziehungen und Verträgen über Dienstleistungen geschützt.

Eine Dienstleistung im Sinne des Art. 56 AEUV liegt nur dann vor, wenn sie folgende Merkmale erfüllt:

  • Es handelt sich um eine nicht körperliche Leistung – und damit nicht um Ware. Darin unterscheidet sich die Dienstleitungsfreiheit von der Warnverkehrsfreiheit.
  • Die Leistung wird in der Regel nur gegen Entgelt erbracht, kann aber im Einzelfall auch mal unentgeltlich erfolgen.
  • Der Anbieter erbringt die Leistung selbstständig und weisungsfrei. Anderenfalls greifen die Regelungen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit.
  • Die Tätigkeit wird nur vorübergehend in dem anderen EU-Staat ausgeübt. Sobald eine dauerhafte Niederlassung erforderlich ist oder vorliegt, sind die Regeln zur Niederlassungsfreiheit anzuwenden.
  • Es gelten weder die Vorschriften über die Waren- und Kapitalverkehrsfreiheit noch über die Personenfreizügigkeit. Damit sind die Regelungen zur Dienstleistungsfreiheit subsidiär. Sie zieht sonstige wirtschaftliche Tätigkeiten in den Schutzbereich der Grundfreiheiten ein, die ohne die Art. 56 ff. AEUV ungeschützt blieben.

Von der Dienstleistungsfreiheit umfasst sind zum Beispiel handwerkliche Tätigkeiten wie Reparaturen und Installationsarbeiten, die gewerblichen Tätigkeiten eines Immobilienmaklers oder Finanzberaters, kaufmännische Tätigkeiten, beispielsweise als selbstständiger Handelsvertreter sowie die freiberuflichen Tätigkeiten eines Steuerberaters, Rechtsanwalts oder eines Journalisten.

Beschränkungs- und Diskriminierungsverbot

Einer der Vorteile der Dienstleistungsfreiheit ist, dass sich Dienstleister einen größeren Markt erschließen können.
Einer der Vorteile der Dienstleistungsfreiheit ist, dass sich Dienstleister einen größeren Markt erschließen können.

Art. 56 AEUV schützt die Dienstleistungsfreiheit wie folgt vor staatlichen Eingriffen:

  • Nationale Regelungen oder Handlungen, die den freien Dienstleistungsverkehr innerhalb der EU für Unionsbürger beschränken oder den Zugang zum freien Binnenmarkt behindern, sind verboten (sog. Beschränkungsverbot).
  • Beschränkungen des Dienstleistungsverkehrs müssen für alle gleichermaßen gelten.
  • Außerdem sind Beschränkungen nur gerechtfertigt und zulässig, wenn beispielsweise die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist und wenn sie angemessen und verhältnismäßig sind.
  • Anbieter von Dienstleistungen aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat dürfen nicht aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit durch nationale Vorschriften diskriminiert bzw. benachteiligt werden (Prinzip der Inländergleichbehandlung).

Ein Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit liegt vor, wenn das Handeln des Staates bzw. seinen nationale Regelungen diese Freiheit beschränkt oder den Erbringer bzw. Empfänger der Diskriminierung diskriminiert. Ein Unionsbürger wird beispielsweise durch eine Regelung diskriminiert, die einen ständigen Wohnsitz in dem Mitgliedsstaat fordert, in dem er seine Dienstleistung vorübergehend ausüben möchte.

Es gibt allerdings auch staatliche Beschränkungen, die für einheimische Dienstleister und für Dienstleister aus anderen EU-Mitgliedsstaaten gleichermaßen gelten. Auch solche Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit sind laut Art. 56 AEUV aufzuheben. Das führt zu einem sehr weitgreifenden Beschränkungsverbot.

Es gibt eine sehr umfangreiche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Dienstleistungsfreiheit und zu der Frage, welche nationalen Regelungen unter das Beschränkungsverbot fallen. Sofern Sie sich durch eine nationale Regelung in Ihrer Dienstleistungsfreiheit beeinträchtigt sehen, sollten Sie einen auf das Europarecht spezialisierten Anwalt konsultieren. 

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Über den Autor

Mohamed El Zaatari (Rechtsanwalt)
Mohamed El-Zaatari

Mohamed El-Zataari absolvierte sein Jura-Studium an der Universität Bremen und legte 2020 das 2. Staatsexamen ab. Nachdem er zwei Jahre lang als Referatsleiter in einer Bremer Landesbehörde tätig war, erhielt er 2022 seine Zulassung zum Rechtsanwalt. Er befasst sich vor allem mit dem Ausländer- und Sozialrecht.

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