Was ziehen chronische Schmerzen für einen GdB nach sich?

Wie hoch ist der Grad der Behinderung (GdB) bei chronischen Schmerzen? Und ist über chronische Schmerzen auch eine Schwerbehinderung möglich?
Wie hoch ist der Grad der Behinderung (GdB) bei chronischen Schmerzen? Und ist über chronische Schmerzen auch eine Schwerbehinderung möglich?

FAQ: GdB für chronische Schmerzen

Was sind chronische Schmerzen?

Als chronische Schmerzen zählen grundsätzlich alle Beschwerden, die länger als 3 bis 6 Monate auftreten, sowie körperliche und/oder psychische Beeinträchtigungen mit sich bringen. Mehr dazu hier.

Ab wann sind chronische Schmerzen eine Behinderung/Schwerbehinderung?

Es ist entscheidend, wie intensiv die vorkommenden Beschwerden sind. Geringere Intensität und Frequenz der Schmerzen deuten eher auf eine Behinderung hin. Um eine Schwerbehinderung zu rechtfertigen, müssen chronische Schmerzen schon schwerwiegende Einschränkungen nach sich ziehen (bspw. bei schweren Verläufen von arteriellen Verschlusskrankheiten, Gesichtsneuralgien etc.).

Wie hoch fällt für chronische Schmerzen der dazugehörige GdB aus?

Derzeit gibt es in der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) noch keine konkrete GdB-Tabelle nur für chronische Schmerzen als eigenständige Erkrankung. Für die neue Schmerzkategorie wurden allerdings bereits GdB-Kriterien festgelegt. In diesem Abschnitt erfahren Sie mehr dazu.

Chronische Schmerzen: Wird ein Grad der Behinderung vergeben?

Für chronische Nervenschmerzen fällt der GdB je nach Schweregrad der Beschwerden unterschiedlich hoch aus.
Für chronische Nervenschmerzen fällt der GdB je nach Schweregrad der Beschwerden unterschiedlich hoch aus.

Was genau sind chronische Schmerzen? Ist ein GdB laut Versorgungsamt dafür sinnvoll bzw. gerechtfertigt? Unter chronischen Schmerzen sind grundsätzlich alle Beschwerden zu verstehen, die deutlich länger andauern als der reguläre Heilungsverlauf einer akuten Schmerzursache. Das bedeutet, sie müssen mindestens über 3 bis 6 Monate hinaus dauerhaft auftreten.

Eine weitere Voraussetzung ist, dass die Schmerzen auch tatsächlich zu Einschränkungen führen – sei es körperlicher oder psychischer Natur. Nur wenn Betroffene in der Bewältigung ihres alltäglichen Lebens eingeschränkt werden, gibt es eine realistische Chance, dass das Versorgungsamt einen Grad der Behinderung für chronische Schmerzen erteilt und die Erkrankung als Behinderung (GdB von 20 bis 40) einstuft. Die Feststellung einer Schwerbehinderung (50 oder mehr) ist ebenfalls möglich, aber in der Regel nur bei stark ausgeprägten, schwerwiegenden Beeinträchtigungen.

Wichtig: Auch vor Gericht haben sich Richter schon damit auseinandergesetzt, ob und wann chronische Schmerzen allein einen GdB verdienen bzw. ob sich bereits zugeteilte Behinderungsgrade anheben lassen. Solche gerichtlichen Urteile, die eine Schwerbehinderung für chronische Schmerzen in Frage stellen, sind z. B. die folgenden.

  1. Urteil (L 7 SB 72/14) des LSG Sachsen-Anhalt vom 24. September 2015: Der Betroffene klagte, weil er für chronische Schmerzen mit somatischen und psychischen Faktoren mindestens auf einen GdB von 50 bestand, um als schwerbehindert eingestuft zu werden. Das Gericht befand aber anhand der Beweislage nur einen Wert von maximal 40 für angemessen und wies die Klage ab.
  2. Urteil (L 3 SB 3164/23) des LSG Baden-Württemberg vom 26. Juni 2024: Auch hier bestand der Kläger auf einen GdB von 50, in diesem Fall aufgrund seiner chronischen Darmerkrankung (Morbus Crohn), die auch seine alltägliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigen würde. Außerdem beklagte er einen Mangel an Schilddrüsenhormonen (Hypothyreose) und Knochenschwund im Frühstadium (Osteopenie). Beides wäre jedoch nicht ausschlaggebend genug, damit zusätzlich auch chronische Schmerzen dieser Art GdB-Werte von 10 bekommen. Das Gericht sah hier ebenfalls den Gesamt-GdB von 40 als gerechtfertigt an und keinen Grund für eine Schwerbehinderung.

Behinderungsgrad für chronische Schmerzen – Welche Kriterien gibt es?

Chronische Schmerzen, die die Psyche beeinträchtigen, beeinflussen GdB-Werte im Umkehrschluss auch je nach Ausprägung.
Chronische Schmerzen, die die Psyche beeinträchtigen, beeinflussen GdB-Werte im Umkehrschluss auch je nach Ausprägung.

Damit der jeweilige Grad der Behinderung chronische Schmerzen auch realitätsnah widerspiegeln kann, hat die World Health Organization (WHO) in ihrer 11. Auflage der International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (kurz ICD-11) einige Kriterien zusammengetragen. Diese sollen der zukünftigen Schmerzmedizin und der Behandlung chronischer Beschwerden als Leitfaden dienen.

Unterschieden wird dabei in die folgenden beiden Kategorien:

1.) GdB für chronische primäre Schmerzen

  • Hierbei sind die Schmerzen zustands-/einzelfallabhängig und in der Regel ohne organische Ursache selbst der primäre Auslöser für die Beschwerden. Sie können also als eigenständiges Krankheitsbild verstanden werden.
  • Das Versorgungsamt berücksichtigt aber nicht nur, wie die Schmerzauswirkungen einzeln agieren. Um chronische primäre Schmerzen mit einem GdB zu versehen, steht im Vordergrund, wie alle Faktoren den Betroffenen gemeinsam beeinflussen. Dabei ist also irrelevant, ob es sich letztendlich um physische, psychische oder gar soziale Beeinträchtigungen handelt. 

2.) GdB für chronische sekundäre Schmerzen

  • Diese Art von Schmerzen lässt sich grundsätzlich einer oder mehrerer bereits bekannter Schmerzursachen zuordnen (d. h. sie sind meist eine Folge oder Begleiterscheinung einer bestehenden Krankheit, Organschädigung etc.). Trotzdem kann bspw. der GdB für chronische Schmerzen am Rücken (Wirbelsäule etc.) vom GdB für Schmerzen mit psychischen (z. B. Depression) oder sozialen Ursachen (zwischenmenschliche Konflikte, soziale Isolation etc.) abweichen bzw. mehr oder weniger gewichtet werden.
  • Grund dafür ist, dass das Versorgungsamt zuerst den Behinderungsgrad für die Schmerzursache(n) ermittelt. Anschließend nimmt es den höchsten Einzelwert und prüft, inwiefern zusätzliche Beschwerden den Betroffenen ebenfalls erheblich beeinträchtigen. Das bedeutet, dass für chronische Schmerzen ein GdB in Höhe von 10 erst gar nicht berücksichtigt wird. Werte von 20 bezieht das Versorgungsamt nur mit ein, falls die „Gesamtbeeinträchtigung“ des Betroffenen durch diese Beschwerden wesentlich höher ausfällt als ohne.
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Über den Autor

Jan Frederik Strasmann (Rechtsanwalt)
Jan Frederik Strasmann, LL. M.

Jan Frederik Strasmann ist seit 2014 als Rechtsanwalt zugelassen. Zuvor studierte er in Bremen, absolvierte sein Referendariat am OLG Celle und erwarb seinen Master of Laws (LL. M.) in Dublin. Er befasst sich insbesondere mit dem Wettbewerbs-, Vebraucher- und IT-Recht.

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