Verfassungsschutz: Geheimnisarchivar und –agent des Staates

Von Jennifer A.

Letzte Aktualisierung am: 23. September 2023

Geschätzte Lesezeit: 20 Minuten

Wann ermittelt der Verfassungsschutz?
Wann ermittelt der Verfassungsschutz?

Ehrlichkeit und Offenheit gehören zu den fundamentalen Tugenden eines jeden Menschen. Viele Eltern versuchen, das ihren Sprösslingen bereits mit in die Wiege zu legen. Immerhin ist ein unerschütterliches Vertrauen stets an eine bedingungslose Aufrichtigkeit geknüpft. Geheimnisse sind da fehl am Platz.

Doch der intimitätsstiftenden Funktion der Ehrlichkeit steht die identitätsprägende Rolle von Geheimnissen gegenüber. Daher haben verborgene Wirklichkeiten durchaus eine Daseinsberechtigung, und zwar eine nicht unerhebliche. Mit der bewussten Entscheidung, bestimmte Informationsschnipsel nicht nach außen zu tragen, grenzt sich das Individuum selbst ab und baut sich so Stück für Stück sein eigenes Ich zusammen. Der Mensch erlangt gewissermaßen Macht über sich selbst und seine Sozialisierung.

Allerdings geht schon seit jeher eine solche Autorität häufig mit Missbrauch einher. Denn so viel Gutes die richtige Information in den geeigneten Händen bewirkt, ebenso so viel Schlechtes vermag ein Unbefugter damit anzurichten. Ist erst einmal die bloße Existenz eines Geheimnisses als solchem bekannt, wird es nicht lange dauern, bis sich die ersten Bestrebungen zur Lüftung des noch schlummernden Wissens zeigen.

Gerade, wenn es sich um staatliche, politische oder wirtschaftliche Belange handelt, können derart gewonnene Auskünfte eine höchstbrisante Wirkung entfalten und in Form von Straftaten zum Nachteil des Besitzers verwendet werden. Die Geheimhaltung ist somit nicht nur Identitätsbaustein, sondern dient auch überpersonalen – auf gesellschaftlicher Ebene gar staatsrelevanten Zwecken.

Um die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten, ist der Verfassungsschutz in seiner Doppelfunktion als Geheimnisarchivar und –agent unerlässlich. Aber was ist der Verfassungsschutz eigentlich? Was verbirgt sich hinter dieser sagenumwobenen Bezeichnung?

In unserem Ratgeber tauchen wir ein in die rechtlich legitimierte Geheimniskrämerei und lüften das Mysterium, welches den Verfassungsschutz und dessen Aufgaben umgibt. Hier erfahren Sie unter anderem, wie diese staatliche Institution organisiert ist, welche Gesetze Anwendung finden und mit welchen Themenfeldern sie sich auseinandersetzt.

FAQ: Verfassungsschutz

Welche Aufgabe übernimmt der Verfassungsschutz?

Der Verfassungsschutz ist eine staatlich organisierte präventive und reaktive Schutzmaßnahme für die freiheitlich-demokratische Ordnung.

Wie sind die Nachrichtendienste in Deutschland strukturiert?

Hier können Sie nachlesen, welche Nachrichtendienste es in Deutschland gibt und wie diese strukturiert sind.

Auf welchen Gebieten kommt der Verfassungsschutz zum Einsatz?

Die Einsatzgebiete sind vielfältig. Einige Beispiele für Aktivitäten vom Verfassungsschutz, finden Sie hier.

Verfassungsschutz: Was ist das eigentlich?

Die Bezeichnung „Verfassungsschutz“ steht für eine bundes- oder landesweit arbeitende staatliche Behörde.
Die Bezeichnung „Verfassungsschutz“ steht für eine bundes- oder landesweit arbeitende staatliche Behörde.

Das Wort „Verfassungsschutz“ hat eine enorme Schlagkraft. Auch ohne sich der konkreten Bedeutung bewusst zu sein, schwingt allein schon durch den Bestandteil „Verfassung“ eine gehörige Portion Wichtigkeit mit, immerhin handelt es sich dabei um das zentrale Gesetz, auf welchem Deutschland gegründet ist.

Als Grundgesetz (GG) bezeichnet, überlagert es alle anderen Rechtsnormen der Bundesrepublik – vom Strafrecht über das Sozial- bis hin zum Verwaltungsrecht – und ist somit das Leitmedium sowohl der Regierung als auch der gesamten Bevölkerung. Neben der Menschenwürde sind darin auch weitere Merkmale festgelegt, die den Wesenskern Deutschlands bilden, so zum Beispiel die bundesstaatliche Ordnung, die demokratische und sozialstaatliche Struktur, die Volkssouveränität und das Widerstandrecht.

All diese Aspekte machen Deutschland zu dem, was es ist. Einleuchtend ist daher die Notwendigkeit, derlei Grundfesten vor zerstörerischen Einwirkungen zu schützen. Der Erhalt dieser freiheitlich-demokratischen Ordnung ist daher eine Aufgabe von höchster Priorität. Verantwortungsträger ist dabei die Verfassungsschutzbehörde, die eine tragende Säule des Staatsschutzes darstellt.

Verfassungsschutz per Definition

Der Verfassungsschutz stellt eine staatlich organisierte präventive und reaktive Schutzmaßnahme dar, die immer dann zum Tragen kommt, wenn die verfassungsrechtlich garantierte freiheitlich-demokratische Ordnung gefährdet wird.

Die Bezeichnung wird häufig synonym für die hierbei wirkende überregionale Behörde – das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) – verwendet. Diese Institution nimmt die Pflichten und Rechte des Verfassungsschutzes wahr und schützt dadurch staatliche Interessen gleichermaßen wie gesellschaftliche. Ergänzend hierzu sind in der Bundesrepublik 16 regionale Ämter installiert (offizielle Bezeichnung: Landesamt für Verfassungsschutz; kurz: LfV), die als Frühwarnsysteme Bedrohungen in den jeweiligen Regionen erfassen.

Die Verfassungsschutzbehörden der Länder sind in der Regel entweder als untergeordnete Abteilung im jeweiligen Innenministerium ansässig oder als eigenständige Landesoberbehörde tätig.

Auch Österreich verfügt über entsprechende Ämter, die staatsschutzrelevante Arbeitsfelder betreuen. Die Amtsbezeichnungen sind den deutschen Namen zum Verwechseln ähnlich. Allerdings gehört das „Landesamt bzw. Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung“ (LVT; BVT) der österreichischen Regierung an und ist somit inhaltlich und terminologisch von dem deutschen Landes-/Bundesamt für den Verfassungsschutz zu unterscheiden.
Der Verfassungsschutz gründet sich rechtlich auf dem Bundes- bzw. dem Landesverfassungsschutzgesetz.
Der Verfassungsschutz gründet sich rechtlich auf dem Bundes- bzw. dem Landesverfassungsschutzgesetz.

Primäre Gesetzesgrundlage bildet das Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG), welches erstmals 1950 in Kraft trat. Darin sind die Aufgaben der Verfassungsschutzbörden ebenso aufgeführt wie die Befugnisse zu bestimmten Maßnahmen sowie sogenannte Übermittlungsvorschriften. Parallel dazu existieren für die tätigten LfV Landesverfassungsschutzgesetze, die gesonderte Regelungen enthalten.

Was sind nun aber konkret die Aufgaben des Verfassungsschutzes? Wie kann also die freiheitlich-demokratische Ordnung vor feindlichen Einwirkungen geschützt werden? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, ist es hilfreich, einen Blick auf die Nachrichtendienste in Deutschland zu werfen. Denn das Amt für Verfassungsschutz stellt genau einen solchen dar.

Nachrichtendienste in Deutschland: Struktur und Aufgaben

Der Nachrichtendient hat – entgegen des Namens – nichts mit der Presse oder den Unterhaltungsmedien zu tun. Stattdessen ist es der Ausdruck einer Behörde, welche für die Beschaffung und Auswertung etwaiger Informationen über Bestrebungen, die eine Gefahr für die innere oder äußere Sicherheit des Staates darstellen, zuständig ist. Sie ist demnach im Staatsrecht anzusiedeln.

Im Gegensatz zu Streifenpolizisten, die letztendlich eine ähnliche staatliche Schutzaufgabe übernehmen, agiert der Nachrichtendienst eher im Verborgenen. Gemäß § 8 Absatz 2 BVerfSchG ist der Einsatz von V-Leuten und Gewährspersonen ebenso zulässig wie Observationen, Bild- und Tonaufzeichnungen oder der Gebrauch von Tarnpapieren, um an wichtige Informationen zu gelangen.

Als Vertrauensleute (V-Leute) werden Personen bezeichnet, die für die Informationsgewinnung über extremistische Bewegungen eingesetzt werden. Dies geschieht immer planvoll und systematisch, also im Wissen der jeweiligen Akteure.

Tätig werden hierbei nicht offiziell beim Verfassungsschutz angestellte Mitarbeiter, sondern Externe, die für ihre Ermittlungsarbeit üblicherweise auch entsprechend entlohnt werden. Nicht selten sind dies ehemalige Angehörige einer extremistischen Szene, weshalb deren Identität streng geschützt wird.

Die Einbeziehung von V-Leuten stellt ein nachrichtendienstliches Mittel dar.

Der Verfassungsschutz wird bei bestimmten Straftaten bzw. Bestrebungen aktiv.
Der Verfassungsschutz wird bei bestimmten Straftaten bzw. Bestrebungen aktiv.

Für Diskussionsbedarf sorgt in diesem Zusammenhang die Vorratsdatenspeicherung, die durchaus vom Verfassungsschutz als probates Überwachungsinstrument genutzt werden könnte. Dies ist so allerdings aktuell in dem entsprechenden Telekommunikations­gesetz ausgeschlossen. Demnach sind derart gewonnene Daten ausschließlich den Strafverfolgungsbehörden zugänglich zu machen.

Eine wesentliche Begrenzung finden derlei nachrichtendienstliche Mittel durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Denn die Beeinträchtigung persönlicher Rechte durch die getroffenen Maßnahmen darf die Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhaltes nicht überwiegen. Insbesondere ist die Erhebung sensibler Daten gestattet, wenn die Annahme besteht, dass:

  • auf diese Weise Erkenntnisse über Bestrebungen bzw. Handlungen nach § 3 Abs. 1 oder die zur Erforschung solcher Erkenntnisse notwendigen Quellen gewonnen werden können oder
  • dies zum Schutz der Mitarbeiter, Institutionen, Gegenstände und Quellen des BfV gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten nötig ist

Bei den in § 3 Absatz 1 genannten Taten handelt es sich zum Beispiel um Verhaltensweisen, welche sich gegen die freiheitlich-demokratische Ordnung, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik richten oder eine rechtswidrige Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane bezwecken. Auch Risiken für die auswärtigen Belange Deutschlands sollen dadurch eingedämmt werden.

Die dabei gewonnenen Auskünfte werden anschließend analysiert und in Form von einem Verfassungsschutzbericht den zuständigen politischen Entscheidungsträgern und Gremien zugänglich gemacht.

Insgesamt existieren in Deutschland drei Nachrichtendienste:

  • Militärischer Abschirmdienst (MAD)
  • Auslands- bzw. Bundesnachrichtendienst (BND)
  • Inlandsnachrichtendienst (ausgeübt durch das jeweils länderbezogene oder das bundesweite Amt für Verfassungsschutz)

Militärischer Abschirmdienst

Der Verfassungsschutz darf sich geheimdienstlicher Mittel bedienen.
Der Verfassungsschutz darf sich geheimdienstlicher Mittel bedienen.

Der militärische Abschirmdienst übernimmt im Auftrag des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) Aufgaben des Verfassungsschutzes. Die grundsätzlichen Bestimmungen zur Handhabe des MAD befinden sich im Gesetz über den Militärischen Abschirmdienst (MADG). Zusätzlich dazu unterliegt der MAD ebenso dem Bundes­verfassungsschutzgesetz sowie dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG).

Der MAD ist berechtigt, unter der Voraussetzung der einschlägigen gesetzlichen Voraussetzungen eine verdeckte Nachrichtenbeschaffung durchzuführen und kompromittierende Informationen zu sammeln. Allerdings unterliegen derartige Maßnahmen zum Schutz vor Missbrauch bzw. Überschreitung der Befugnisse stets einer parlamentarischen, fachaufsichtlichen und gerichtlichen Kontrollinstanz.

In den Verantwortungsbereich des MAD fällt insbesondere die Informationssammlung sowie –analyse, die dem Zweck der Extremismus- und Terrorismusbekämpfung dient. Ebenso gehören Spionage- und Sabotageabwehr zu den wesentlichen Aufgaben.

Der MAD wird immer dann aktiv, wenn die feindlichen Handlungen von Personen ausgehen, die in den Geschäftsbereich des BMVg fallen. Dazu zählen auch Innentäter, also Kriminelle, die in dem Ministerium selbst angestellt sind und deren Taten sich gegen die Bundeswehr richten.

Eine wichtige Position nimmt der MAD zudem im Rahmen der Beurteilung der aktuellen Sicherheitslage (auch Abschirmlage genannt) von Dienststellen und Organisationen der Bundeswehr ein.

Bundesnachrichtendienst

Der BND ist wohl allgemein der geläufigste deutsche Nachrichtendienst, der gerne mal mit der US-amerikanischen CIA verglichen wird. Diese Parallele ist auch durchaus zutreffend, handelt es sich doch bei beiden Institutionen um Auslandsgeheimdienste, die dem Schutz der Sicherheitsstruktur des jeweiligen Landes verpflichtet sind. Der Aktionsraduis erstreckt sich dabei auf die gesamte Welt.

Das Gesetz des Bundesnachrichtendienstes (BNDG) legt die Aufgabenfelder und Eingriffsberechtigungen des BND genau fest. Insbesondere das Themenfeld des Datenschutzes findet hierin Berücksichtigung. Weitere Verordnungen, die den Auftrag des BND mitbestimmen, sind das Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (PKGr-Gesetz) sowie das Gesetz über die Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G10-Gesetz) und das SÜG.

Dem BND obliegt es, im Auftrag der Bundesregierung oder der Bundeswehr wirtschaftliche, politische und militärische Auskünfte aus dem Ausland einzuholen. Die jeweiligen Informationsschwerpunkte werden dabei von der Regierung vorgegeben. Es sind insbesondere derlei Fakten von Belang, die über die öffentlich propagierten Inhalte hinausgehen. Der BND dringt also in Geheimnissphären ein und beleuchtet Hintergründe genauer.
Der Verfassungsschutz ist einer von drei deutschen Nachrichtendiensten.
Der Verfassungsschutz ist einer von drei deutschen Nachrichtendiensten.

Die Arbeit des BND trägt dazu bei, sicherheits- und außenpolitische Entscheidungen auf einer fundierten Grundlage treffen zu können. Er unterstützt zudem den Krisenstab des Auswärtigen Amtes, der beispielsweise bei Entführungen deutscher Staatsbürger im Ausland zusammenkommt.

Zusätzlich zu diesem Hauptaufgabengebiet wird der BND auch im Rahmen von internationaler Organisierter Kriminalität (OK) tätig. Dabei handelt es sich um eine gewinn- oder machtorientierte Begehung von Delikten. In diesem Bereich kommt dem Kampf gegen Waffen- und Technologietransfer, Geldwäsche, Menschenhandel und Drogenschmuggel eine besondere Bedeutung zu.

Trotz weitreichender Ermächtigungen unterliegt auch der BND einer strengen Kontrolle. Die Fach- und Dienstaufsicht liegt bei dem Bundeskanzleramt und wird durch Ausschüsse, zum Beispiel das Parlamentarische Kontrollgremium, die G10-Kommission sowie das Vertrauensgremium, ergänzt. Ebenso kann der Bundesgerichtshof das Handeln des BND auf seine Rechtsmäßigkeit hin überprüfen.

Bundesamt für Verfassungsschutz

Das Bundesamt – teilweise auch als Bundesministerium bezeichnet – für Verfassungsschutz ist das auf Deutschland begrenzte Pendent des BND. Während letzterer global aktiv wird, ist das BfV für die Sicherheitsbelange im Inland zuständig.

Das Verfassungsschutzgesetz legt den Handlungsrahmen des BfV in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Landesbehörden (LfV) fest. Grundsätzlich gehört zu den Aufgaben, die der Verfassungsschutz übernimmt, primär die Schadensabwehr vom Staat, der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und der Bevölkerung. Eine besondere Rolle spielen hierbei extremistische und terroristische Akte. Außerdem gilt es, geheimdienstliche Tätigkeiten fremder Mächte aufzudecken und zu unterbinden (Spionageabwehr).

Die Mitarbeiter vom Verfassungsschutz gewinnen einen Großteil der notwendigen Daten aus allgemein zugänglichen Quellen. Dazu zählen unter anderem Zeitungen, Flugblätter, Programme und Aufrufe. Auch das Internet kann eine geeignetes Medium sein, wenn es beispielsweise um Cyberterrorismus geht.

Im Rahmen seiner Sicherheitsüberprüfung nutzt der Verfassungsschutz in Deutschland auch öffentliche Veranstaltungen, bei denen er Befragungen durchführt. Derlei Interviews basieren stets auf der Freiwilligkeit der betreffenden Zivilperson. Zudem arbeiten die BfV-Angestellten hier nicht verdeckt, sondern geben ihre berufliche Tätigkeit an.

Der Verfassungsschutz unterliegt diversen Kontrollmechanismen, z.B. durch das Parlament.
Der Verfassungsschutz unterliegt diversen Kontrollmechanismen, z.B. durch das Parlament.

Zusätzlich zu solchen offenen Maßnahmen steht es dem Verfassungsschutz als Geheimdienst jedoch auch frei, nachrichtendienstliche Mittel anzuwenden und verdeckte Operationen durchzuführen.

Neben der Beschaffung von Geheimnissen und der Arbeit im Verborgenen ist es oberste Pflicht vom Verfassungsschutz, die dabei gewonnenen sensiblen Informationen wiederum nicht publik zu machen und streng vor widerrechtlichem Zugriff zu schützen. Sicherheitslecks könnten hier fatale Folgen haben.

Es zeigt sich also die Mammutaufgabe, die es zu bewältigen gilt: Einerseits wird dem BfV abverlangt, konspirative Machenschaften aufzudecken. Andererseits müssen die dadurch erzielten Ergebnisse jedoch unter Verschluss gehalten werden – auch vor anderen, ausländischen Nachrichtendiensten – ein Geheimnispingpong quasi, bei dem stets die Oberhand zu behalten ist.

Kontrolle und Begrenzung geheimdienstlicher Inlandstätigkeiten

Die Bibel des Inlandsnachrichtendienstes ist die deutsche Verfassung. Immerhin gibt sie diesem deutschen Geheimdienst ihren Namen und stellt somit zugleich das Schutzgut höchster Güte dar. Die darin manifestierten Merkmale gelten absolut und unterstehen einem besonderen Schutz. Dieser beinhaltet beispielsweise die Möglichkeit, Parteien und anderweitige Zusammenschlüsse zu verbieten, wenn Absichten, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten, erkennbar sind.

Wichtig ist hier, dass allein eine kritische Äußerung hinsichtlich des Staates noch keinen ausreichenden Anlass darstellt, den Verfassungsschutz einzuschalten. Erst, wenn keinerlei Grundüberzeugung, aktiv für Demokratie und Menschenrechte einzutreten, feststellbar ist, kann es sich um einen Anwendungsbereich des BfV oder des LfV handeln.

Wenn die Voraussetzungen für das Tätigwerden des Verfassungsschutzes vorliegen, kann weder die Bundes- noch die Landesbehörde nach eigenem Gutdünken schalten und walten. Bevor und während sie agiert, durchläuft sie diverse Kontrollinstanzen, die sowohl auf der Verwaltungs- und Parlaments- als auch auf der Gerichts- und Bevölkerungsebene ihre Wirkung entfalten.

Verwaltungsüberwachung: Datenschutz und Finanzen im Visier

Die Methoden vom Verfassungsschutz müssen stets rechtskonform und verhältnismäßig sein.
Die Methoden vom Verfassungsschutz müssen stets rechtskonform und verhältnismäßig sein.

Die Dienst- und Fachaufsicht über den Verfassungsschutz und seine Mitarbeiter obliegt dem Bundesministerium des Inneren (BMI). Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), seit 2014 ist Andrea Voßhoff mit dieser Position betraut, überprüft im Speziellen die Einhaltung der geltenden Datenschutz- sowie damit zusammengehörigen Dienstvorschriften. Zur Durchführung dieser Kontrollpflicht steht ihr das Recht der Akteneinsicht zu.

Der Bundesrechnungshof (BRH) wacht über die Finanzen der deutschen Nachrichtendienste und teilt seine Erkenntnisse dem Vertrauens- sowie dem Parlamentarischen Gremium und dem BMI mit.

Kontrolle durch das Parlament: Pluralistische Ausschussüberwachung

Das Parlament übt im Allgemeinen mittels Debatten, Aktuellen Stunden, also Diskussionen zu momentan wichtigen Themen, und Anfragen im Deutschen Bundestag Einfluss auf die Tätigkeitsfelder des BfV aus. Zudem gewähren die Berichterstattungen vor den verschiedenen Ausschüssen, zum Beispiel dem zum Haushalt, die Möglichkeit, Maßnahmen des BfV zu hinterfragen.

Diese elitären Kreise der Politiker können auch von den Bürgern auf Belange vom Verfassungsschutz hingewiesen werden. Reichen sie eine Petition ein, wird diese von der zuständigen Abteilung im Bundestag behandelt und kann so an den Verfassungsschutz weitergeleitet werden.

Von besonderer Bedeutung sind hier spezielle Gremien, die sich mit dem Verfassungsschutz auseinandersetzen:

  • Parlamentarisches Kontrollgremium (PKGr)

Das PKGr überwacht insbesondere die Tätigkeiten des Militärischen Abschirmdienstes, des Bundesnachrichtendienstes sowie des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Dabei kann es von weitreichenden Ermächtigungen Gebrauch machen und beispielsweise Akteneinsicht oder den Zutritt zu sämtlichen Dienststellen der Nachrichtendienste einfordern. Ebenso verfügt es über ein Befragungsrecht gegenüber den jeweiligen Mitarbeitern. Die Angehörigen der Institutionen haben das Recht, sich auch die Regeln des Dienstweges missachtend an das PKGr zu wenden, wenn dienstliche Angelegenheiten vorgetragen werden.

Jeweils in der Mitte sowie am Ende einer Wahlperiode erstattet das PKGr dem Deutschen Bundestag Bericht über die Ergebnisse seiner Untersuchung.

  • Vertrauensgremium

Das sogenannte Vertrauensgremium setzt sich aus gewählten Mitgliedern des Haushaltsausschusses im Bundestag zusammen. Es ist dafür zuständig, jährlich Wirtschaftspläne für die deutschen Nachrichtendienste des Bundes zu entwickeln und deren Einhaltung anschließend sicherzustellen.

Dem Vertrauensgremium stehen dabei die gleichen Rechte zu wie dem PKGr. Außerdem besteht ebenfalls eine Meldepflicht gegenüber dem Bundestag. Um etwaige Kontrolllücken zwischen dem PKGr und dem Vertrauensgremium zu schließen, können beide Institutionen einander gegenseitig beratend unterstützen. Dies geschieht in der Form, dass die Vorsitzenden, deren Stellvertreter sowie ein weitere Mitglied an der Sitzung des jeweils anderen Ausschusses teilnehmen können.

Terrorismusbekämpfung ist ein wichtiges Aufgabengebiet vom Verfassungsschutz.
Terrorismusbekämpfung ist ein wichtiges Aufgabengebiet vom Verfassungsschutz.
  • G10-Kommission

Hierbei handelt es sich nicht um eine dauerhafte Instanz, sondern um ein temporäres Komitee. Einberufen wird es vom PKGr nach entsprechender Anhörung durch die Bundesregierung für die Dauer einer Wahlperiode.

Es besteht aus einem Vorsitzenden, der zumindest die Berechtigung, ein Richteramt zu bekleiden, besitzt, drei Beisitzern und vier stellvertretenden Mitgliedern. Keine der Personen muss dabei Abgeordneter des Bundestags sein, entsprechend agieren sie unabhängig. Die Zusammenkünfte finden mindestens einmal monatlich statt und unterliegen der Geheimhaltung.

In den Sitzungen wird darüber entschieden, ob gewisse Maßnahmen zur Beschränkung des Post-, Brief- und Fernmeldegeheimnisses, die der Verfassungsschutz trifft oder zu treffen beabsichtigt, zulässig und notwendig sind.

Des Weiteren beurteilt die G10-Kommission die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung solcher sensibler Informationen, die mittels Beschränkungsmaßnahmen erlangt wurden. Das Komitee entscheidet insbesondere auch darüber, ob Betroffene darüber informiert werden, dass sie Untersuchungsgegenstand des Verfassungsschutzes waren/sind.

Hinsichtlich der Tätigkeiten des BfV ist der Bundesminister des Innern dafür verantwortlich, der G10-Kommission monatlich Bericht über die von ihm angeordneten Beschränkungsmaßnahmen zu erstatten.

Ähnlich wie die zuvor genannten Gremien verfügt auch dieser Ausschuss über Auskunfts-, Akteneinsichts- und Zutrittsrechte.

Deutscher Verfassungsschutz unter gerichtlicher Aufsicht: Unter dem Richterhammer

Gesetzmäßigkeit der Verwaltung sowie die Unabhängigkeit der Gerichte sind Leitprinzipien der Bundesrepublik Deutschland. Jedes hoheitliche Handeln durch den Verfassungsschutz ist demnach von unabhängigen Gerichten überprüfbar.

Festgelegt sind diese Maximen sowohl in § 92 des Strafgesetzbuches (StGB) als auch in § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG). Dort ist jeweils bestimmt, dass eine Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht besteht. Außerdem wird die Unabhängigkeit der Gerichte ausdrücklich deklariert.

Öffentliche Kontrolle: Bürger und Medien als Hüter der Persönlichkeitsrechte

Neben dem indirekten Weg über Petitionen kann die Zivilgesellschaft auch Eingaben und Anfragen nutzen, um Auskünfte zu erlangen. Zudem kommt der Presse und deren Berichterstattung eine nicht unbeachtliche Rolle zu. Durch Recherchearbeiten verschiedener Journalisten wird eine indirekte Kontrolle auf den Verfassungsschutz ausgeübt.

Organisation vom Verfassungsschutz

Der Verfassungsschutz geht mit der Zeit und passt seine Sicherheitsmaßnahmen stets neuen Bedrohungen an.
Der Verfassungsschutz geht mit der Zeit und passt seine Sicherheitsmaßnahmen stets neuen Bedrohungen an.

Wer rastet, rostet – diese so lapidar erscheinende Redeweisheit prägt auch die Vorgehensweise des BfV. Denn der Verfassungsschutz von Bund und Ländern darf nicht in altbewährten Mechanismen erstarren. Anpassungsfähigkeit und Flexibilität sind unerlässlich, um sich immer neuen Bedrohungsparametern und Rechtsverordnungen, zum Beispiel dem Luftsicherheitsgesetz, anzupassen.

Infolge islamistischer Terrorakte wurde daher die neue Abteilung „Islamismus und islamistischer Terrorismus“ geschaffen, die sich dezidiert mit dieser Gewaltform befasst. In diesem Zusammenhang spielt beim Verfassungsschutz das Thema „Flüchtlinge“ eine große Rolle. Denn insbesondere bei den Zuwanderungswellen aus Syrien und dem Irak besteht das Risiko, dass sich unter den Hilfe suchenden Menschen auch islamistische Attentäter befinden, welche die Notsituation für Gewalttaten auszunutzen trachten.

Dieser Unsicherheitsfaktor findet wiederum einen Nährboden in rechtsextremistischen Kreisen, die darin eine willkommene Propagandamöglichkeit zur Verbreitung ihrer fremdenfeindlichen Informationen finden. Doch auch diesen innerstaatlichen Bedrohungen begegnet der Verfassungsschutz und gründete den Fachbereich „Rechtsextremismus-/terrorismus“, der insbesondere eine Antwort auf die Entdeckung des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) darstellt.

An der Spitze des BfV steht der Verfassungsschutzpräsident, Hans-Georg Maaßen, der seit August 2012 diese Position einnimmt. Ihm direkt nachgeordnet ist der seit 2013 als solcher tätige Vizepräsident Thomas Haldenwang. Im Organigramm stehen an nächster Stelle die Abteilung Z, welche die zentralen Dienste vereint, sowie die Mitarbeiter der Informations- und Sondertechnik. Alle weiteren Verantwortungsbereiche des BfV sind in sechs Sektoren untergliedert:

  • Abteilung 1: Grundsatz
  • Abteilung 2: Rechtsextremismus/-terrorismus
  • Abteilung 3: Zentrale Fachunterstützung
  • Abteilung 4: Spionageabwehr, Geheim-, Sabotage- und Wirtschaftsschutz
  • Abteilung 5: Ausländer- und Linksextremismus
  • Abteilung 6: Islamismus und islamistischer Terrorismus

Gefahren für die Bundesrepublik: Einsatzgebiete des Verfassungsschutzes

Immer dann, wenn die freiheitlich-demokratische Ordnung der Bundesrepublik durch das Handeln von Einzelpersonen oder Tätergruppen zur Disposition gestellt bzw. angegriffen wird, handelt es sich um den Verantwortungsbereich des Verfassungsschutzes. Insbesondere trifft dies auf extremistische Taten sowie auf Terrorakte zu. Hasskommentare auf sozialen Plattformen können dabei einen Hinweis für derartige Bestrebungen sein.

Ein Amoklauf beispielsweise fordert zwar mitunter genauso viele Opfer wie ein politisch motiviertes Attentat. Aber hier ist die Motivation üblicherweise eine gänzlich andere. Der Täter greift in der Regel nicht den Staat aus einer ideologischen Gesinnung heraus an, indem er dessen Bürger tötet, sondern er hat zu seinen Opfern in irgendeiner Form eine persönliche Beziehung, sodass unter anderem Rache seine Antriebsfeder ist.

Im Folgenden befassen wir uns näher mit dem Hauptanwendungsgebiet des Verfassungsschutzes und dessen verschiedenen Ausprägungen: dem Extremismus.

Vom radikalen zum extremistischen Gedankengut: Was bedeutet Extremismus?

Der Verfassungsschutz wird immer bei extremistischen Taten aktiv.
Der Verfassungsschutz wird immer bei extremistischen Taten aktiv.

Der Term „Extremismus“ ist keine Beschreibung für ein einheitliches Phänomen, sondern umfasst verschiedene politisch-ideelle Tendenzen, die durch eine Abkehr vom demokratischen Verfassungssystem gekennzeichnet sind.

1952 legte das Bundesverfassungsgericht fest, welche grundlegenden Prinzipien in der Bundesrepublik herrschen und demnach auch im politischen Diskurs zu wahren sind. Ausgangspunkt dafür war das Verbot der rechtsgesinnten „Sozialistischen Reichspartei“ (SRP).

Dazu gehört die Achtung der Menschenrechte, welche im Grundgesetz ausdefiniert sind. Allen voran steht dabei das Recht der Persönlichkeit auf Leben sowie der freien Entfaltung. Auch die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung sowie die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung stellen unverbrüchliche Grundfesten Deutschlands dar.

Zusätzlich sind Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip, die Chancengleichheit aller politischen Parteien und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition im Grundgesetz verankert und somit schützenswerte Interessen.

Werden diese staatlichen Fundamente untergraben, missachtet oder bedroht, handelt es sich in der Regel um extremistische Taten, die dann ein Einschreiten des Verfassungsschutzes erforderlich machen.

Der Extremismus-Begriff ist bei Verfassungsschutzbehörden seit Anfang der 70er Jahre in Gebrauch und dient vornehmlich einer Abgrenzung zum Radikalismus. Doch worin besteht der Unterschied?

  • Extremismus: Auffassungen, welche die Grenzen der verfassungsmäßigen Ordnung überschreiten und den Grundgesetzen zuwiderlaufen
  • Radikalismus: Meinungen, die als systemkritisch zu bewerten sind, jedoch die freiheitlich-demokratische Grundordnung achten

Verfassungsschutz gegen Rechtsextremismus: Ideologie der menschlichen Ungleichheit

Beim Rechtsextremismus kann nicht von einer einheitlichen politischen Ideologie gesprochen werden. Vielmehr lassen sich dieser extremistischen Unterkategorie diverse Strömungen und Tendenzen zuordnen, die allesamt eine Beseitigung oder umwälzende Veränderung der demokratischen Ordnung bezwecken.

Es lassen sich gewisse Denkinhalte ausmachen, die in der ein oder anderen Form sämtlichen rechtsextremistischen Ausprägungen eigen sind:

  • Prinzip der Wertigkeit/Ungleichheit

Die gesellschaftliche Diskriminierung ausgewählter Menschen aufgrund verurteilter ethnischer, körperlicher oder geistiger Charakteristika, ist prägendes Merkmal einer rechtsextremistischen Geisteshaltung.

  • Autoritätsfanatismus aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit

Die eigene – in diesem Fall die deutsche – Nation wird zum wichtigsten Identitätsbaustein des Einzelnen erhoben. Die „Rasse“ ist Qualitätsmerkmal und Daseinsberechtigung. Damit einher geht die entsprechende Herabwertung anderer Ethnien.

Der Verfassungsschutz bekämpft Rechtsextremismus, welcher die eigene Nation glorifiziert.
Der Verfassungsschutz bekämpft Rechtsextremismus, welcher die eigene Nation glorifiziert.
  • Antipluralismus zugunsten einer homogenen Gesellschaft

Rechtsextremisten streben Homogenität an, welche vor allem durch die Herkunft ihre Grundlage findet. Pluralistische, also verschiedenartige, Interessen und kritische Ansichten stellen eine Gefahr dieser Gemeinschaft dar und sind daher abzulehnen. Volk und Führung sollen zu einer geschlossenen Einheit verschmelzen.

  • Autoritarismus – Absolute Unterwerfung unter die Staatsmacht

In einem sozialen Rechtsstaat wie Deutschland herrschen zwischen der Bevölkerung und der Regierung Wechselbeziehungen, die es dem Volk erlauben, in gewissem Ausmaß Einfluss auf die Führungsebene zu nehmen. Rechtsextremisten wollen demgegenüber einen autoritären Staat etablieren, in dem sich die Gesellschaft freiwillig fügt und keinerlei Mitbestimmungsrecht erhält.

All diese Inhalte, die im krassen Gegensatz zu der deutschen Verfassung stehen, werden von den verschiedenartigen Formen des Rechtsextremismus genutzt und mal mehr, mal weniger stark in den Vordergrund gerückt. Im Nationalismus beispielsweise ist die ethnische Herkunft ausschlagend. Hier findet eine Überbewertung der eigenen Nation im Vergleich zu anderen Ländern statt, was gewalttätige Handlungen gegen andere Ethnien beispielsweise in Form einer Körperverletzung rechtfertigt.

Ähnlich argumentieren auch Anhänger des Rassismus, die von einer Ungleichwertigkeit der Menschenrassen ausgehen. Dies wird pseudobiologisch mit den unveränderbaren Erbanlagen begründet und führt so dazu, dass vereinzelte gesellschaftliche Gruppierungen ausgegrenzt werden.

Der Antisemitismus ist wiederum eine Spezialform des Rassismus. Hier richten sich die Anfeindungen konkret an Juden, die wegen sozialer, politischer, religiöser und ethnischer Vorurteile verstoßen werden.

Der Neonazismus bezieht sich ausdrücklich auf den historischen Nationalsozialismus, wie er zum Beispiel im Dritten Reich praktiziert wurde. Der autoritäre Staat steht hier oftmals im Fokus der Akteure.

Verfassungsschutz und Linksextremismus: Absage an sämtliche Machtstrukturen

Anders als der Rechtsextremismus, der ein autoritäres System anstrebt, will sich der Linksextremismus von jeglichen Herrschaftsstrukturen befreien. Propagiert wird die politische, soziale und ökonomische Freiheit im Gegensatz zur Bevormundung durch ein staatliches Machtinstrumentarium. Doch diese Form der menschlichen Gleichheit stellt eine ins Extreme gesteigerte Überspitzung der Gleichheit aller Menschen dar, wie sie im Grundgesetz verankert ist, und ist daher Angelegenheit vom Verfassungsschutz.

Gewaltbereiter Linksextremismus ruft den Verfassungsschutz auf den Plan.
Gewaltbereiter Linksextremismus ruft den Verfassungsschutz auf den Plan.

Die geltende Herrschaft wird als imperialistisch und kapitalistisch diffamiert. In der linksextremistischen Anschauung dient sie einzig der Unterdrückung der Menschen zugunsten einer privilegierten Elite. Daher soll sie durch Revolutionsakte in ihren Grundfesten erschüttert werden.

Diese Utopie einer herrschaftsfreien Ordnung ist zwar allen Strömungen eigen, allerdings werden für die Erreichung dieses Ziels ganz unterschiedliche Praktiken bevorzugt.

  • Anarchismus

Ausgangspunkt ist eine spontane Erkenntnis, welche letztlich die Auflösung aller Institutionen bewirkt. Dafür sind im Zweifel auch Mittel der Gewalt, zum Beispiel Nötigung, zulässig. Die derart beseitigten Systemstrukturen sollen dann durch dezentrale Selbstverwaltungseinheiten ersetzt werden.

  • Autonome

Statt sich mit inhaltlichen Fragen auseinanderzusetzen, agieren Autonome aktiv gegen die unterdrückende Regierung. Eine einheitliche Geisteshaltung lässt sich in diesen Kreisen ohnehin schwer festmachen. Vielmehr driften die ideologischen Haltungen mitunter gar stark auseinander. Allem gemeinsam sind jedoch zumeist stark polarisierende Themen.

Die große Mehrheit der Autonomen akzeptiert Gewalt als probates Mittel gegen Menschen und Sachgüter. Gegen das herrschende System werden zudem immer wieder Vorwürfe des Faschismus, Kapitalismus, Imperialismus, Militarismus, Rassismus und Sexismus laut, deren Bekämpfung je nach Gruppierung verstärkt im Mittelpunkt der Handlungen steht.

  • Kommunismus

Während die Autonomen recht diskontinuierlich verschiedene Theorien verfolgen, sind Kommunisten in ihrem Handeln deutlich strategischer und konsequenter. Auch die einzelnen Anhänger werden organisierter betreut.

Vertreter des Kommunismus betrachten eine klassenlose Gesellschaft als Idealform. Um diese zu erreichen, ist zunächst eine bedingungslose Unterwerfung des Einzelnen unter die revolutionären Ziele notwendig. Es ist dann Aufgabe des Proletariats, die herrschende Elite zu stürzen und die Gesellschaftsutopie zu erschaffen.

Allen diesen Gruppierungen ist gemein, dass die real existierende Ordnung abgelehnt wird und durch militante Mittel, von der Erpressung bis hin zur Bestechung, zu stürzen ist. Daher ist es Aufgabe vom Verfassungsschutz, derartige Bestrebungen zu beobachten und im Ernstfall einzugreifen.

Islamismus: Eine gefährliche Religionspolitik

Seine Ursprünge findet der Islamismus in der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Da im Laufe der Jahre die islamische Religion an Bedeutung verloren hatte, traten Reformer auf den Plan, die eine Neubelebung der Religion und der Gesellschaft bewirken wollten. Die „Rückkehr zu den reinen Ursprüngen des Islam“ wurde als Leitprinzip in den Mittelpunkt gestellt.

Anti-westliche Motive bestimmten seither die Entstehung islamistischer Bewegungen. Mehr und mehr entwickelte sich der Islam von der reinen Religion hin zu einem politischen und gesellschaftlichen Alternativmodell.

Der Islamismus ist ein jüngerer, immer wichtiger werdender Aufgabenberiech vom Verfassungsschutz.
Der Islamismus ist ein jüngerer, immer wichtiger werdender Aufgabenberiech vom Verfassungsschutz.

Schubkraft gewann der Islamismus im Jahr 1979, als Kämpfer, sogenannte Mudschahedin, in Afghanistan gegen die sowjetischen Besatzungstruppen auftraten. Zehn Jahre später zog sich das sowjetische Militär zurück, was die Islamisten als regionalpolitischen Erfolg verbuchten und fortan das islamische System über kapitalistische und sozialistische Regierungen stellten.

Hauptmerkmal des Islamismus ist die Verknüpfung von Religion und Politik im Islam. Der ursprüngliche Glaube erfährt eine Ausweitung zu einer vollkommenen Lebensform und Weltanschauung. Utopie ist die Errichtung eines islamischen Staates. Neben dieser Absolutsetzung des Islam als Lebens- und Staatsform sind folgende Kennzeichen prägend für den Islamismus:

  • Maxime der Gottessouveränität

An die Stelle der Volks- wird die Gottessouveränität gesetzt, was einer Theokratie, also einer religiös legitimierten Staatsform gleichkommt. Da die Auslegung der heiligen Schriften zu unterschiedlichen Ansichten führen kann, werden in dem von den Islamisten imaginierten theokratischen Staat Religionsgelehrte mit der Pflicht versehen, die heiligen Schriften verbindlich auszulegen.

  • Vollkommene Offenbarung des Menschen an die Theokratie

Für Menschenrechte ist in dieser Staatsutopie, die in einer ganzheitlichen Steuerung der politischen und sozialen Interkation aufgeht, kein Platz. Meinungs- und Religionsfreiheit sind nicht existent. Der Islam steht über allem.

  • Homogene Islamisierung der Menschen

In dem Gesellschaftskonzept der Islamisten ist die Religion einzig identitätsstiftend. Daraus ergibt sich eine homogene Bevölkerung, die allein ihrem Glauben folgt. Selbstständigkeit und Individualität werden als Abkehr vom Islam abgelehnt.

  • Kampf gegen Demokratie

Der demokratische Verfassungsstaat steht mit all seinen Grundsätzen, wie dem der Volkssouveränität, dem theokratischen Theoriegebäude der Islamisten gegenüber. Indem dort Religionsgelehrte die Auslegung der heiligen Schrift, quasi der „Verfassung“ des islamischen Staates, übernehmen, wird indirekt eine Diktatur geschaffen.

  • Gewalt als Mittel zum Zweck

Islamismus geht nicht unweigerlich mit einer Gewaltbereitschaft einher, allerdings fördert diese Geisteshaltung zumindest ein derart aggressives Vorgehen. Immerhin wird die rigorose Verdammung von westlichen Gesellschaftsordnungen betrieben, da den säkularisierten Staaten Unmoral und Unwissenheit vorgeworfen wird.

Wenn Islamisten bei der Umsetzung ihrer Ziele einer politischen oder sozialen Hilfe entbehren, wird Gewalt als legitime Form der Zweckerfüllung angesehen. Vorsätzlich werden dann unschuldige Menschen verletzt oder getötet, dies rechtzeitig zu entdecken und präventive Maßnahmen zu ergreifen, obliegt dem Verfassungsschutz.

Sonderform: Salafismus

Bei islamistisch organisierten Flugzeugentführungen wird der Verfassungsschutz tätig.
Bei islamistisch organisierten Flugzeugentführungen wird der Verfassungsschutz tätig.

Der Salafismus stellt eine extremistische Strömung innerhalb des Islamismus dar. Die Bezeichnung stammt aus dem Arabischen und bedeutet „fromme Altvordere“. Damit wird Bezug auf die ersten drei Generationen von Muslimen im 7. und 9. Jahrhundert genommen. Diese werden von den Salafisten aufgrund ihrer gottgefälligen und an Koran und Sunna ausgerichteten Lebensweise idealisiert.

Der politische Salafismus arbeitet mit Propagandamitteln zur Verbreitung seiner Ideologie. Die Anhänger selbst sprechen in diesem Zusammenhang von einer Missionierung. Der dschihadistische Salafismus geht dabei offen gewalttätig vor.

Was sind Koran, Sunna und Dschihadismus?

Der Koran ist das heilige Buch der Muslime und enthält die Offenbarungen, die der Prophet Mohammed von Gott empfangen hat.

Sunna bezeichnet die überlieferten Gewohnheiten des Propheten und stellt einen Verhaltenskodex für gläubige Muslime dar.

Der Ausdruck Dschihadismus wird für eine extrem gewaltbereite Strömung des Islamismus verwendet. Im Mittelpunkt steht hier die Etablierung des Islamischen Staates.

Zu den wesentlichen Forderungen der Salafisten gehört eine Umsetzung der Prinzipien des Koran und der Sunna. Dadurch soll eine Umwälzung von Staat, Rechtssystem und Gesellschaft stattfinden und ein islamistisches Ideal geschaffen werden.

Der Salafismus lehnt nicht nur die parlamentarische Demokratie ab, sondern propagiert auch die Ablösung der geltenden Rechtsvorschriften durch die Scharia, das religiöse Gesetz des Islam.

Islamistischer Terrorismus

Eng miteinander verknüpft sind der Verfassungsschutz und die Terrorismusbekämpfung. Hier kommt den islamistischen al-Qaida- und den Mudschahed-Netzwerken eine besondere Bedeutung zu.

Als Mudschahedin (oder auch Dschihadisten) bezeichnen sich Widerstandkämpfer und Terrorgruppen, die ihren Glauben als den einzig wahren ansehen. Der Begriff leitet sich von Dschihad ab, was wiederum ein Konzept benennt, in welchem der Weg Gottes nur durch Kampfmaßnahmen zu vermitteln ist.

Ende 1980 fanden die Mudschahedin in der von Osama Bin Laden gegründeten Organisation „al-Qaida“ (zu Deutsch: „die Basis“) einen wichtigen Sammelpunkt für ihre terroristischen Aktivitäten. Es wird angenommen, dass sich diese Verbindung Mitte 1990 mit Teilen der militanten ägyptischen Gruppen „al-Jihad al-islami“ („Der islamische Kampf“) und „al-Jama’a al-islamiya“ („Die islamische Gemeinschaft“) zu einem global agierenden Netzwerk zusammengeschlossen hat.

Das ideologische Fundament, auf dem das gewalttätige, extremistische Wirken der Anhänger basiert, stellt die 1998 von Bin Laden unterzeichnete Schrift der „Islamischen Weltfront für den Dschihad gegen Juden und Kreuzzügler“ dar. Darin wurde die Tötung von Amerikanern zu einer persönlichen Pflicht aller Muslime ernannt. Zudem wurde darin die Stationierung von US-Truppen in Saudi-Arabien verurteilt und zur Verdrängung dieser von der Arabischen Halbinsel aufgerufen.
Im GETZ kooperieren die Polizei und der Verfassungsschutz miteinander.
Im GETZ kooperieren die Polizei und der Verfassungsschutz miteinander.

Während bislang vor allem eine anti-amerikanische Kampfstrategie verfolgt wurde, erweiterte sich die Zielauswahl 2001 . Auch Europa gerat so ins Fadenkreuz der Terroristen, dabei insbesondere diejenigen Staaten, die Truppen im Irak stationiert hatten.

Auch mit der Ermordung Bin Ladens 2011 durch US-Einheiten konnte dem Wirken der al-Qaida kein Ende gesetzt werden, denn nun übernahm Aiman al-Zawahiri, der ehemalige Führer der ägyptischen Gruppe „al-Jihad al-islami“, das Kommando.

Es geht also nach wie vor eine große Gefahr von dieser weltweit agierenden Vereinigung aus, die immer wieder mit brutalen Anschlägen in die Schlagzeilen rückt. Am präsentesten ist vielen wohl der Angriff auf das World Trade Center am 11. September 2001 in Erinnerung. Doch auch die Sprengstoffattentate am 11. März 2004 in Madrid, bei denen 191 Menschen starben, sprechen die gewalttätige Sprache der al-Qaida. Unvermeidbar ist es daher für den Verfassungsschutz, derartige Strömungen frühzeitig zu erkennen und deren Wirken zu verhindern.

Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ)

Am 15. November 2012 nahm das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum seine Arbeit auf. Dieses Segment stellt eine wichtige Schnittstelle und Kooperationsplattform für Polizei und Verfassungsschutz sowie Bund und Länder in den Phänomenbereichen Rechts- und Linksextremismus bzw. –terrorismus, Ausländerextremismus und Spionageabwehr dar.

Was ist Ausländerextremismus?

Unter Ausländerextremismus werden sämtliche sicherheitsgefährdende und extremistische Handlungen von Ausländern umschrieben, die sich nicht dem Islamismus zuordnen lassen.

Ziel ist es wie auch beim Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) und dem Gemeinsamen Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus/-terrorismus (GAR), welches inzwischen im GETZ inbegriffen ist, alle Fachbereiche zu bündeln und so einen effizienten Austausch der Informationen zu garantieren. Hauptverantwortungsträger ist das Bundesamt für Verfassungsschutz sowie das Bundeskriminalamt (BKA).

Beteiligte Behörden sind unter anderem:

  • Bundespolizei
  • Europol
  • Generalbundesanwalt
  • Zollkriminalamt
  • Bundesnachrichtendienst
  • Militärischer Abschirmdienst
  • Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
  • Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle
  • Landeskriminalämter
  • Landesverfassungsschutzbehörden
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Verfassungsschutz: Geheimnisarchivar und –agent des Staates
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Über den Autor

Autor
Jennifer A.

Jennifer studierte Rechtswissenschaften an der Universität Bayreuth. Seit 2018 ist sie fester Bestandteil des Redaktionsteams von anwalt.org. Sie nutzt ihr breites Wissen über das deutsche Rechtssystem seither für die Erstellung gut verständlicher Texte in Bereichen wie dem Asylrecht, Steuerrecht und Verbraucherrecht.

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